Ist ein im Krankenhaus tätiger „Honorararzt“ sozialversicherungspflichtig?
Honorarvertrag mit Stationsarzt
Vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen klagte in einem ersten Fall ein Facharzt für Allgemeinmedizin, der als Stationsarzt in einer internistischen Abteilung arbeitete und in einem zweiten Fall ein Krankenhaus, das einen Facharzt für Urologie sowie physikalische und rehabilitative Medizin als Stationsarzt in der neurologischen Abteilung einsetzte.
LSG NRW: Stationsärzte waren nicht selbstständig tätig
Das LSG Nordrhein-Westfalen stellte fest, dass die Ärzte auf der Grundlage der Honorarverträge im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilnahme am Arbeitsprozess einem arbeitnehmertypischen umfassenden Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit und erst recht hinsichtlich der Art und Weise der Arbeit unterlagen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 16.5.2018, L 8 R 233/15 und v. 9.5.2018, L 8 R 234/15).
Weisungsrecht der Chef- und Oberärzte wie bei abhängig Beschäftigten
Aus der Übernahme der Aufgaben eines Assistenz- bzw. Stationsarztes verbunden mit der Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Chef- und Oberärzten folge deren einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der zeitlichen Strukturierung der Abläufe im Laufe eines Arbeitstages. Bereits aus den Honorarverträgen ergebe sich jeweils zudem die Rechtsmacht des Krankenhauses, die Aufgaben des Arztes bei Erforderlichkeit auch durch Einzelweisungen zu konkretisieren. Auch die tatsächlich gelebten Vertragsbeziehungen ergäben nicht, dass die „Honorarärzte“ im Vergleich zu den angestellten Assistenz- bzw. Stationsärzten über Freiheiten verfügt hätten, die ihre Einstufung als Selbständige rechtfertigen würde.
Dass keine vertraglichen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub bestanden, basiere auf der unzutreffenden Annahme der selbstständigen Tätigkeit. Tatsächlich folgten diese Ansprüche bereits aus den gesetzlichen Regelungen.
Gegen die Urteile des LSG ist Revision beim BSG eingelegt worden (Az. B 12 R 22/18 R und B 12 R 23/18 R).
Honorarvertrag mit Gynäkologin
In einem Fall vor dem LSG Niedersachsen-Bremen hatte das klagende Krankenhaus mit einer Gynäkologin einen „Honorararztvertrag“ geschlossen. Die Ärztin sollte für die Dauer von einem Monat Patienten in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe betreuen und behandeln. Die Ärztin sollte nach dem Wortlaut des abgeschlossenen „Honorararztvertrages“ als „Selbständige“ tätig sein, sich also selbst versichern. Die Patienten wurden der Ärztin zugewiesen. Die Behandlung erfolgte entsprechend der Ausbildung selbständig, das Letztentscheidungsrecht hatte der Chefarzt. Die Gynäkologin arbeitete im Team mit den im Krankenhaus tätigen weiteren Ärzten und dem nichtärztlichen Personal.
LSG Niedersachsen-Bremen: Ärztin war abhängig beschäftigt
Das LSG hat in seinem Urteil bestätigt, dass die Tätigkeit der Gynäkologin in dem Krankenhaus als abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzuordnen sei. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass die Ärztin kein Unternehmerrisiko zu tragen habe und im Wege der funktionsgerecht dienenden Teilhabe in den Arbeitsprozess des Krankenhauses eingegliedert sei.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Entscheidend ist die Eingliederung in den Betrieb. Dabei ist, so das Gericht, die jeweilige Tätigkeit zu beurteilen, nach dem der einzelne Dienst angetreten worden sei. Die Ärztin habe im Team mit den anderen Mitarbeitern des Krankenhauses gearbeitet. Dass die Ärztin, solange der Chefarzt ihr diesbezüglich keine konkreten Vorgaben erteilt hatte, selbst entscheiden konnte, in welcher Reihenfolge sie die ihr jeweils zugewiesenen Patienten behandelte, entspreche dem Ablauf auf Station. Dabei komme es nicht darauf an, mit welcher Häufigkeit chefärztliche Weisungen tatsächlich erteilt wurden. Etwaige Handlungsspielräume für die Ärztin, die gegen die jedenfalls funktionsgerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, lägen nicht vor.
Kein unternehmerisches Risiko der Ärztin
Das LSG hat weiter ausgeführt, dass die Gynäkologin auch kein unternehmerisches Risiko getragen habe. Als Gegenleistung für die von ihr erbrachte Tätigkeit habe ihr eine Stundenvergütung - insoweit typisch für Beschäftigte - in Höhe von 60 Euro zugestanden. Bezogen auf die geschuldeten Dienste habe die Ärztin - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.
Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor. Der Einsatz eigenen Kapitals sei nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel - bis auf die Arbeitskleidung - seien nicht eingesetzt worden. Über eine eigene Betriebsstätte habe die Ärztin ohnehin nicht verfügt. Sie sei auf der Abteilung für Gynäkologie und im Kreißsaal der Klägerin eingesetzt gewesen. Die erforderlichen Arbeitsmittel seien dort vorhanden gewesen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 16.12.2015, L 2 R 516/14).
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