OVG: Mitgliedschaftspflicht in der Pflegekammer ist rechtmäßig
Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klagen einer Krankenschwester und einer Gesundheits- und Krankenpflegerin gegen die Zwangsmitgliedschaft in der umstrittenen Pflegekammer zurückgewiesen. Der Beitritt zur Kammer habe vom Land Niedersachsen angeordnet werden dürfen, teilte das OVG mit. «Die Belastung durch die Mitgliedschaft ist nicht so schwerwiegend, dass der Gesetzgeber sie nicht anordnen durfte», hieß es in einer Mitteilung des Gerichts.
Protest gegen Zwangsmitgliedschaft
Über die Höhe der Beiträge für die Pflegekammer musste das Gericht in den beiden Verfahren nicht entscheiden. Die beiden Klägerinnen hatten sich grundsätzlich gegen den Zwang gewehrt, Mitglied in der Kammer sein zu müssen.
Die Einrichtung der Pflegekammer war in Niedersachsen von starken Protesten von Krankenschwestern und Pflegern begleitet worden, sie war 2016 noch von der rot-grünen Landesregierung angeschoben worden. Die Kammer ist ähnlich wie Ärzte- oder Handwerkskammer eine berufsständige Selbstverwaltung.
Alle Fachkräfte der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in Niedersachsen müssen ihr beitreten, zuletzt hatte die Kammer rund 60 000 Mitglieder. Die Beschäftigten müssen einen nach ihrem Einkommen gestaffelten Beitrag zahlen - wer etwa 30 000 Euro brutto im Jahr verdient, muss einen Jahresbeitrag von 116 Euro an die Kammer zahlen.
Verfassungs- und Verhältnismäßigkeit
Die Entscheidung fiel in zweiter Instanz, eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließen die Richter des 8. Senats des OVG nicht zu. Im Vordergrund des Verfahrens stand die Frage, ob das Pflegekammergesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dazu urteilten die Richter, das Land habe seine Gesetzgebungskompetenz nicht überschritten. Auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Einführung einer Pflichtmitgliedschaft in einer Berufskammer sei Rechnung getragen worden.
In den zwei Verfahren ging es aber auch um unterschiedliche Aspekte: So wehrte sich eine Frau grundsätzlich gegen die Mitgliedschaft, weil sie sie für unverhältnismäßig hielt. In einem zweiten Verfahren ging es hauptsächlich darum, ob man auch als Fallmanagerin eines Krankenhauses dazu gezwungen ist, Mitglied der Kammer zu werden oder ob dieser konkrete Beruf davon ausgenommen ist.
Befürworter der Kammer sehen Potential, Pflege zu verbessern
Der Staatssekretär im Sozial- und Gesundheitsministerium, Heiger Scholz, reagierte erfreut auf die Gerichtsentscheidung. «Die Pflegekammer ist ein geeignetes Mittel, um der Pflege eine starke Stimme zu geben», sagte er. Um sicherzustellen, dass die Arbeit der Kammer nach der Startphase tatsächlich in ausreichendem Maße den Interessen der Pflegekräfte zugute komme, solle in Kürze eine Evaluation durch ein unabhängiges Institut begonnen werden.
Befürworter der Kammer sehen in ihr eine Chance, den Stellenwert der Pflege zu erhöhen. Sie soll eine Berufsordnung erstellen und bei der Gesetzgebung beraten, im Juni hat die Kammer zudem eine Ethikkommission eingerichtet.
Viele Beschäftigte wollen Abschaffung der Kammer
Im vergangenen Jahr hatte die Kammer sich den Zorn der Beschäftigten zugezogen, weil sie an 90 000 Menschen Beitragsbescheide über den Höchstbeitrag verschickt hatte. Um weniger zu zahlen, sollten die Beschäftigten ihr tatsächliches Einkommen angeben. In einer Petition forderten außerdem mehr als 40 000 Unterzeichner die Abschaffung der Kammer.
(OVG Lüneburg, Urteile v. 22.8.2019, Az. 8 LC 116/18, 8 LC 117/18)
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