EuGH soll zur Entschädigung für Scheinbewerber entscheiden
Müssen Arbeitgeber einem Scheinbewerber eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zahlen? Zu dieser Frage hatte sich bereits das LAG Berlin-Brandenburg im Sinne der Arbeitgeber geäußert. Und nicht nur die Richter mussten sich bereits mit AGG-Hoppern – also Bewerber, die sich bewusst zum Schein auf Stellenanzeigen bewerben, um nach der geplanten Ablehnung eine Entschädigung anzustreben – auseinandersetzen. Sind diese nicht ernsthaften Interessenten Bewerber im Sinne des § 6 AGG? Und können diese bei entsprechenden Anhaltspunkten tatsächlich Entschädigungsansprüche geltend machen?
Sind AGG-Hopper tatsächlich Bewerber?
Diese Fragen möchte das BAG nun mithilfe des EuGH beantworten. Praktiker und Wissenschaftler in Deutschland haben bislang bereits kontrovers diskutiert, ob solche Scheininteressenten tatsächlich als Bewerber im Sinne des § 6 AGG anzusehen sind – und daher auch eine Entschädigung verlangen können. Das BAG hat zuletzt eine Entschädigung eher mit Blick auf § 3 Abs. 1 AGG abgelehnt. Auch Scheinbewerber seien Bewerber im Sinne des AGG. "Auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an, weil ihr Fehlen allenfalls den Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers begründen könnte", argumentiert zuletzt das BAG (Urteil vom 14.11.2013 - 8 AZR 997/12). Nur im Einzelfall ist also derjenige kein Bewerber, der sich Rechtsmissbrauch vorwerfen lassen muss.
Nun fragt das BAG aber nochmals genauer beim EuGH nach. Konkret: "Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?" Letztlich geht es darum, dass das Unionsrecht nicht den Bewerber an sich schützt, sondern den "Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit". Insofern sei laut BAG nicht geklärt, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Der EuGH muss also entscheiden, ob nach EU-Recht für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes eine formale Bewerbung genügt.
Ablehnung der Bewerbung soll 14.000 Euro kosten
Im konkreten Fall ging es um einen Juristen, der sich nach mehreren Jahren als Rechtsanwalt auf ein ausgeschriebenes Trainee-Programm eines Versicherungskonzerns beworben hatte. In der Stellenausschreibung forderte die Versicherung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss sowie qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura waren zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht.
Die Bewerbung des Anwalts lehnte der Konzern jedoch ab, woraufhin der Jurist 14.000 Euro Entschädigung verlangte. Im Bewerbungsschreiben betonte er, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten.
BAG: Scheinbewerbung nicht mit Ziel der Einstellung
Die Formulierung der Bewerbung ließ den Senat des BAG zu dem Schluss kommen, dass der Rechtsanwalt nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hatte. Das Bewerbungsschreiben stehe einer Einstellung als Trainee entgegen, argumentierten die Richter. Zumal der Anwalt auch einer Einladung zum Personalgespräch – nachdem er seine Entschädigung geltend gemacht hatte – nicht nachkam. Vielmehr schlug er vor, erst nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs rasch über seine Zukunft beim Versicherungskonzern zu sprechen.
Nach alledem gelangte das BAG zu der Überzeugung, dass der klagende Anwalt nach nationalem Recht nicht als Bewerber und Beschäftigter im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG anzusehen sei. Nun ist also der EuGH noch am Zug, um auch die europäische Sicht zu diesem Themenkomplex nochmals einzubringen.
Hinweis: BAG, Beschluss vom 18. Juni 2015, Az.8 AZR 848/13 (A); Vorinstanz: Hessisches LAG, Urteil vom 18. März 2013, Az.7 Sa 1257/12
In der Ausgabe 06/2015 des Personalmagazins finden Sie einen Beitrag zu AGG-Hoppern sowie Kriterien, die Sie beachten sollten, um Entschädigungsansprüchen von Scheinbewerbern keine Angriffsfläche zu bieten.
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