Neuer Schlagabtausch zu Mindestlohn und Leiharbeit
Deutsche Unternehmen seien bereit, eine Vielzahl von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Angesichts vieler Menschen ohne Deutschkenntnisse und ausreichende Qualifizierung sei das eine Herausforderung. Aber nicht nur: „Jedes vierte Unternehmen sucht mittlerweile händeringend Fachkräfte“, ergänzte Kramer und wies damit auch auf die Chance hin, die eine schnelle Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt in Bezug auf den Fachkräftemangel biete. Er forderte von der Politik aber, die Unternehmen nicht allein zu lassen und die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.
Ausnahmen vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge
Kramer forderte, die Ausnahmen vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Dies solle gleichermaßen für Flüchtlinge gelten. Damit schloss er sich einer Empfehlung der sogenannten Wirtschaftsweisen an. Auch DIHK-Chef Eric Schweitzer hatte im ZDF-"Morgenmagazin" gefordert, dass Praktika von Flüchtlingen innerhalb der ersten sechs Monate vom Mindestlohn ausgenommen sein sollten.
Keine generelle Ausnahme von Flüchtlingen vom Mindestlohn
Sowohl der Arbeitgeberpräsident als auch DIHK-Chef Schweitzer stellten klar, dass sie keine generelle Ausnahme für Flüchtlinge vom Mindestlohn fordern. "Bei der Bezahlung darf die Herkunft der Menschen keine Rolle spielen", sagte Kramer. Sonst drohe ein Verdrängungswettbewerb zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten. Auch könnten deutsche Arbeitnehmer das Gefühl bekommen, hier soll gegeneinander ausgespielt werden, so Schweitzer.
Grundlegende Korrektur der Gesetzespläne zu Zeitarbeit und Werkverträgen gefordert
Um Unternehmen bei der Integration von Flüchtlingen zu unterstützen, forderte Kramer zusätzlich mehr Flexibilität hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeit. Asylsuchende mit Bleibeperspektive müssten alle Möglichkeiten der Zeitarbeit, von Praktika und der Jobmarkt-Förderung bekommen. Dafür müsse die Regierung eine grundlegende Korrektur der Gesetzespläne zu Zeitarbeit und Werkverträgen vornehmen. Insbesondere kritisierte er den Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) als Großangriff auf Hunderttausende selbständige Unternehmen. Kämen die Pläne unverändert, könnten etwa Caterer kaum mehr auf der Basis von Werkverträgen eine Kantine führen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach bei Neuregelungen zu Leiharbeit und Werkverträgen nicht über den Koalitionsvertrag hinauszugehen. Sie sei an diesem Punkt Wächterin des Koalitionsvertrags, sagte Merkel auf dem Arbeitgebertag. Über den vom Bundesarbeitsministerium vorgelegten Gesetzentwurf sagte Merkel, es scheine unstrittig, "dass das, was jetzt vorgelegt wurde, über den Koalitionsvertrag hinausgeht". Weitere Gespräche seien angebracht.
Flüchtlinge zu Deutschkursen verpflichten
Der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, nannte auf dem Arbeitgebertag konkrete Zahlen zur Beschäftigungsfähigkeit der Flüchtlinge, die auf aktuellen statistischen Daten der Arbeitsagentur basieren: Von rund 500.000 Bleibeberechtigten seien etwa 350.000 erwerbsfähig. Lediglich 10 bis 15 Prozent davon seien etwa wegen guter Sprachkenntnisse relativ schnell vermittelbar. Beim Großteil sei es eine Aufgabe über viele Jahre, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Arbeitgeberpräsident Kramer forderte, dass alle Flüchtlinge rasch an verpflichtenden Sprachkursen teilnehmen.
Gegenwind vom DGB: Keine Mindestlohnausnahmen
Der DGB lehnte jede Ausweitung von Mindestlohn-Ausnahmen ab. "Schlimm genug, dass es noch Ausnahmen gibt für Langzeitarbeitslose, Minderjährige, Zeitungszusteller sowie bestimmte Praktikanten", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Die SPD-Vizefraktionschefin Carola Reimann forderte: "Der Mindestlohn muss auch für Flüchtlinge gelten, sonst öffnen wir dem Lohndumping Tür und Tor." Auch die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer mahnte: "Die Chancen von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt erhöht man nicht durch schlechtere Bezahlung, sondern durch passgenaue Unterstützung."
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