Eigentlich gehört es nicht zum Job eines Arbeitsrechtlers, sich um die Initiativen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu kümmern. "Früher war alles besser": Früher, als das Ministerium für Arbeit und Soziales, vielleicht noch das Justiz- oder das Wirtschaftsministerium, die Themenbereiche geregelt hat, die für Arbeitgeber – ich meine hier die sozialpolitischen Belange - relevant waren. Heute, mit Manuela Schwesig, ist das etwas anders geworden. Teilweise könnte man sogar meinen, sie und Andrea Nahles hätten die Ressorts getauscht.
Zu Beginn ein Schmankerl: Gute Teilzeit, böse Teilzeit
"Meine moderne Familienpolitik setzt auf Partnerschaftlichkeit und muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stützen" sagte Schwesig bereits 2014 in einem Interview mit Spiegel-Online. Und: "Ich halte an dieser Idee der Familienarbeitszeit fest. Die 32-Stunden-Woche ist da ein Rechenmodell".
Nun kommt wohl das neue "Familiengeld" für Eltern, die die Arbeitszeit auf 28 bis 36 Stunden pro Woche kürzen. Ein Schmankerl am Rande: Nach wie vor wird Teilzeitarbeit als prekär und diskriminierend verfemt. Vielleicht sollte gerade eine Ministerin, die Teilzeit fördern will, zuerst den unsäglichen Prekariats- und Atypik-Slang abschaffen, den ihre Partei salonfähig gemacht hat? Hier Teilzeit geißeln, dort fördern: Wie passt das zusammen?
Flexibilität: Arbeitgeber und -nehmer erwarten sie
Die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber profitieren von Teilzeit – vor allem, wenn sie flexibel ist. Gegenseitig flexibel. Zu Recht erwarten Arbeitnehmer immer häufiger vom Arbeitgeber Flexibilität, wenn private Belange anstehen. Und bei privaten Belangen möchte ich nicht eindimensional über die Familie sprechen. Schließlich haben auch Beschäftigte ohne Familie private Bedarfe, was bei der "familienfreundlichen Politik" leider häufig genug vergessen wird.
Zu Recht erwarten auch Arbeitgeber im Falle betrieblicher Bedarfe Flexibilität von ihren Arbeitnehmern. Und nie zuvor war das in vielen Berufen so einfach wie heute – Notebook und W-Lan zuhause sind heutzutage Standard.
Mehr Flexibilität durch Homeoffice, Sabbatical oder Kindergartenzuschuss
Und was machen Arbeitgeber in dieser Situation? Sie fördern Flexibilität. Soweit möglich erhält heute ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin – zumindest bei seriösen Arbeitgebern – die Möglichkeit zu "Homedays" – Tage, an denen auch zu Hause mit dem Notebook gearbeitet werden kann. Zum Beispiel, wenn ein Kind krank ist, wenn der Kindergarten bestreikt wird oder wenn der Partner gepflegt werden muss.
Arbeitgeber bieten auch Pflege- und Sabbatical-Modelle an, obwohl der Gesetzgeber das administrativ zur Hölle gemacht hat. Zeitwertkonten sind nun einmal eine echte Herausforderung! Fehlzeiten werden mit Senior-Experts abgedeckt, es wird ein Kindergartenzuschuss bezahlt oder womöglich ein Betriebskindergarten (eine weitere verwaltungsrechtlich-administrative Großherausforderung) eingerichtet, damit die dringend benötigten qualifizierten Beschäftigten frühzeitig wieder ins Büro können.
Nochmals: die Arbeitgeber brauchen die qualifizierten Beschäftigten mehr denn je und die Demographie verstärkt diesen Bedarf. Wiedereinstieg in Vollzeit nach Teilzeit? Ein nur scheinbares Problem, das nun wirklich keiner gesetzlichen Regelung bedarf: Die Demographie wird das automatisch richten, auch wenn man nicht zu den wirtschaftsliberalen Ökonomen zählt, die richtigerweise die Meinung vertreten, dass der Markt es richte.
Familiengeld als finanziell geförderte Arbeitszeitreduzierung
Unter diesen Voraussetzungen werden Volkswirte – es gibt meiner Meinung nach viel zu wenige Makroökonomen an den Schaltstellen – zum Familiengeld sagen, dass es eine kontraproduktive Maßnahme sei, die die Wohlfahrt senke. Man kann es auch anders ausdrücken: Kommt diese finanziell geförderte Arbeitszeitreduzierung, muss eben die Altersgrenze angehoben werden – Herr Schäuble fordert bereits, unerfreulich für viele, aber volkswirtschaftlich konsequent, die Erhöhung auf 70 Jahre.
Und: Es bedarf eines tiefen ein Eingriffs in die Arbeitsverhältnisse. Arbeitgeber tun vieles, um ihre Beschäftigten auf Vollzeitniveau zu halten und es ihnen dennoch zu ermöglichen, Arbeit und Privatleben zu koordinieren. Manuela Schwesig attackiert genau diese Flexibilisierungsbemühungen und belohnt die Arbeitszeitreduzierung finanziell.
Rational ist das nicht: Die Lebens- und Familienqualität wird durch die eine oder andere Stunde in der Woche weniger Arbeit nicht wirklich gehoben. Bedenkt man, dass in Großteilen der Industrie sowieso schon die 35-Stunden-Woche gilt, ist eine „Reduzierung auf 36 Stunden“ sogar ein ministeriales Oxymoron.
Wünsche: Konsequenz bei Teilzeit, Flexibilität, Arbeitszeit
Daher würde ich mir wünschen: Erstens, dass politische Forderungen und „gute Taten“ zunächst einer Folgenabschätzung unterzogen werden. Wenn Teilzeit gefördert werden soll – politisch kann man sicher unterschiedlich darüber denken – ist die Folge, dass die Arbeit eben durch andere gemacht werden muss – also Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Zweitens: Hilfe. Hilfe, wie Privat- und Berufsleben wirklich zusammengebracht werden können. Bei Pendelzeiten von nicht unüblichen 40 bis 90 Minuten wäre die Unterstützung von betriebsnahen Kindertagesstätten und deren flexiblen Öffnungszeiten nicht nur finanziell, sondern insbesondere auch beim Abbau administrativer Hürden (zum Beispiel bei der Einrichtung von Kindernotfallbüros) wichtig.
Drittens: Konsequenz. Ist Teilzeit prekär und atypisch, dann sollte die gleiche Partei beziehungsweise deren Vertreter die Beschäftigten nicht in dieses Dilemma stürzen.
Schließlich: Noch „mehr“ Konsequenz. Solange ein Arbeitszeitrecht aus Bismarcks Zeiten noch die persönliche Flexibilität durch überzogene Ruhezeiten hindert, wird es sehr, sehr schwer bleiben, ein Zusammenbringen von Arbeit und Privatleben zu fördern.
Flexibilisierung: Alternative zum Familiengeld
Und was bleibt Arbeitgebern nun übrig? Rechnen. Familienministerin Schwesig zahlt in Zukunft 150 Euro pro Person für eine Arbeitszeitreduzierung. Viele Unternehmen zahlen heute bereits 100 oder 150 Euro Kita- oder Tagesmutterzuschuss. Vielleicht wird das in Zukunft einfach mehr.
Und: Schwesig sollte ein wenig Nachhilfe bei Arbeitsministerin Nahles nehmen. "Ja, ich freue mich sehr auf den Mutterschutz", meinte Schwesig im Januar in einem Interview mit der "Zeit". Vielleicht hat sie ja übersehen, dass das Mutterschutzgesetz für sie gar nicht gilt. Aber das Mutterschutzgesetz wird jetzt ja auch novelliert – auch von Schwesig.
Alexander R. Zumkeller, Präsident des
Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.