BAG: Kein Nachteilsausgleich für Air-Berlin-Flugbegleiter

Die nach der Insolvenz von Air Berlin entlassenen Flugbegleiter haben keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil für vier Klagen entschieden. Weitere Verfahren sind noch offen.  

Zahlreiche ehemalige Flugbegleiter der Fluggesellschaft Air Berlin forderten nach ihrer Entlassung vor Gericht einen Nachteilsausgleich, da aus ihrer Sicht die Personalvertretung Kabine nicht ordnungsgemäß vor der Betriebstilllegung beteiligt wurde. Die Personalvertretung Kabine, eine Art Betriebsrat für Flugbegleiter, wurde aufgrund des Tarifvertrags (TVPV) für das Kabinenpersonal der Fluggesellschaft Air Berlin gebildet. Der TVPV Kabine sieht den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) nachgebildete Beteiligungsrechte vor. Danach muss der Arbeitgeber einen Nachteilsausgleich gewähren, wenn er eine geplante Betriebsänderung durchführt, ohne vorher einen Interessensausgleich mit der Personalvertretung Kabine zu versuchen. Der erste Senat entschied nun in den ersten vier Fällen, dass das Kabinenpersonal einen solchen Nachteilsausgleich nicht beanspruchen kann. 

Nachteilsausgleich: Fehlerhafte Beteiligung der Personalvertretung?

Der Arbeitgeber, die ehemalige Fluggesellschaft Air Berlin, unterrichtete die Personalvertretung Kabine im Oktober 2017 über die geplante Stilllegung des Flugbetriebs zum 31. Januar 2018. Die daraufhin durchgeführten Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs blieben erfolglos. Air Berlin rief daraufhin die Einigungsstelle an, die sich Mitte Januar 2018 für unzuständig erklärte. Ende Januar 2018 kündigte der Insolvenzverwalter den im Kabinenbereich Beschäftigten betriebsbedingt.

Kein Interessenausgleich vor der Betriebsänderung erfolgt?

Die entlassenen Mitarbeiter forderten vor Gericht einen sogenannten Nachteilsausgleich, also eine Abfindung vom Arbeitgeber wegen Verletzung von tarifvertraglichen Beteiligungsrechten. Sie machten dazu geltend, dass die Betriebsänderung in Form der Stilllegung des Flugbetriebs bereits mit Ende November 2017 durchgeführt worden war, als die Kündigungen der Piloten erfolgten. Zu diesem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber einen Interessensausgleich mit der Personalvertretung Kabine nicht hinreichend versucht.

BAG: Keine Nachteilsausgleichszahlung für ehemalige Air-Berlin-Flugbegleiter

Der erste Senat des Bundesarbeitsgericht konnte dieser Auffassung nicht folgen. Er entschied in vier Fällen, dass die ehemaligen Flugbegleiter keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich nach der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung haben. Das Gericht führte dazu aus, dass die Regelung in § 83 Abs. 3 TVPV eine Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Verhandlungsanspruchs sanktioniert. Aus einem gesetzeskonformen Verständnis des tariflich geregelten Beteiligungsrechts der Personalvertretung Kabine erfolge, dass sich dies ausschließlich auf Maßnahmen in Bezug auf das Kabinenpersonal beziehe.

Flugbegleiter sind keine Piloten

Der TVPV gelte nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für das Kabinenpersonal. Die Erfurter Richter argumentierten, dass es der nach § 4 Abs. 1 TVG angeordneten, geltungsbereichsbezogenen Wirkung von Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebsverfassungsrechtliche Fragen widerspräche, wenn die Personalvertretung für das Kabinenpersonal einen Sachverhalt gestalten könne, der auch das Cockpitpersonal betrifft. 


Hinweis: BAG, Urteile vom 21.01.2020, Az: 1 AZR 149/19 - und - 1 AZR 295/19 - u.a.; Vorinstanzen: LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2019; Az: 12 Sa 631/18, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2019; Az: 6 Sa 70/19 - u.a.


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Schlagworte zum Thema:  BAG-Urteil, Personalvertretung, Insolvenz