Reisechaos – was ist bei Geschäftsreisen zu beachten?
Der Geschäftstermin steht, jetzt stellt sich die Frage nach der An- und Abreise. Flugzeug und Bahn gewinnen in der Nach-Corona-Zeit und außerhalb der Ferien wieder deutlich an Attraktivität. Nur: Die Situation an Flughäfen und Bahnhöfen entspannt sich nicht wesentlich. Geschäftsreisende verpassen ihre Flüge aufgrund mangelnden Personals bei Check-In und Sicherheitskontrolle, viele Verbindungen auf der Schiene oder in der Luft werden kurzfristig gecancelt. Auch Gepäck geht weiterhin zu häufig verloren, die Zustände in vielen Hotels sind noch nicht wieder auf dem gewohnt verlässlichen Niveau.
Worauf als Geschäftsreisender zu achten ist
Volker Henn-Anschütz, Reiserechts-Experte und Seniorpartner bei Schumacher und Partner, erklärt die wichtigsten Maßnahmen, die Reisende treffen sollten: "Erstens mindestens drei Stunden vor Abflug eintreffen, zweitens bei Ankunft Beweis zur Ankunftszeit sichern, zum Beispiel mit Fotos vom Flughafen oder Abflugtafeln mit Zeitstempel oder ein Parkticket. Wenn Sie sich am Flughafen so verhalten, gibt es zumindest ein finanzielles Trostpflaster", so der Experte. Generell regelt die Fluggastverordnung die Höhe der Entschädigungen: bei mehr als drei Stunden sind es für Kurzstrecken (bis 1.500 km) 250 Euro, bei Mittelstrecken (bis 3.500 km) 400 Euro und bei Langstrecken 600 Euro.
Auch Bahnfahrende benötigen aktuell viel Geduld – die Zahl der Verspätungen und Ausfälle ist auf einem historischen Hoch. Wenn ein Zug um mehr als eine Stunde verspätet ist, können Reisende zwar ihren Trip abbrechen und die Kosten erstattet bekommen. Das ist bei geschäftlichen Anlässen meist nicht angemessen. Häufiger wird die Wahl auf die sogenannte Fahrpreisentschädigung fallen: 25 Prozent des (Einzel-)Fahrpreises werden bei Verspätung zwischen einer und zwei Stunden erstattet, bei mehr als zwei Stunden sogar 50 Prozent. Bei mehr als 60 Minuten Verspätung müssen kostenlose Mahlzeiten und Erfrischungen im angemessenen Rahmen angeboten werden, einzelfallabhängig gibt es Anspruch auf kostenlose Hotelunterkunft oder Ersatzbeförderung (zum Beispiel nachts per Taxi).
Die Ansprüche sind an die Luftfahrtgesellschaft oder das Eisenbahnunternehmen beziehungsweise die genannten Schlichtungsstellen zu richten.
Geschäftsreise: Reisezeit gilt als Arbeitszeit
Zunächst: Bei einer Dienstreise oder Geschäftsreise gilt die Reisezeit als Arbeitszeit. Das ist folglich auch bei unverschuldeten Verspätungen so, wenn man am Flughafen festsitzt und sich keine Ersatzbeförderung zu einem angemessenen Preis organisieren lässt ("Schadenminderungspflicht"). Heute ist es allerdings in der Regel möglich, auch von unterwegs zu arbeiten. Wenn die entsprechende Ausstattung vorhanden ist, muss der Reisende das auch tun. Denn im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: kein Lohn ohne Arbeit. Die entstehenden Kosten (zum Beispiel Verbindungsgebühren) kann der Arbeitgeber dann bei der Fluggesellschaft einfordern.
Die Rechte des Passagiers bei privaten und beruflichen Flügen
Die Fluggastverordnung trennt nicht zwischen Privat- und Dienstreisen. Sie spricht ausschließlich vom "Fluggast" als Anspruchsinhaber. Damit steht auch auf Dienstreisen die Entschädigung grundsätzlich dem Arbeitnehmenden zu, denn es handelt sich bei diesen um sogenannte höchstpersönliche Ansprüche. Dies gilt ebenso für die Bahn und unabhängig davon, wer die Reise bezahlt oder gebucht hat. Die reisende Person muss selbst ihre Ansprüche geltend machen, nur sie kann die Ausgleichszahlung beziehungsweise. Erstattung empfangen. Ob der Reisende die Ausgleichszahlung oder Erstattung behalten darf oder an den Arbeitgeber abführen muss, ist zwischen Arbeitnehmendem und Arbeitgeber zu klären. Manche Firmen lassen sich bei Geschäftsreisen die Entschädigungsansprüche ihrer Mitarbeitenden abtreten. Dies findet sich beispielsweise in der Reiserichtlinie, im Dienstreiseantrag oder sogar direkt im Arbeitsvertrag.
Gepäckverlust oder Mängel im Hotel
Viele Geschäftsreisende müssen bei der Ankunft am Ziel feststellen, dass ihr Koffer nicht da ist. Der Grund auch hier: massiver Personalmangel bei der Abfertigung. Bei Kofferverlust auf dem Hinflug haben Reisende je nach Fall Anspruch auf Fluggastentschädigungen und Flugpreisminderungen. Um diese zu erhalten, rät Volker Henn-Anschütz:
- umgehend am Lost & Found Schalter melden (vor Verlassen des Flughafens)
- einen sogenannten "PI-Report" ausfüllen
- sämtliche Einkaufsbelege von Ersatzkleidung sammeln
- Ausschlussfristen beachten: diese betragen 7 Tage bei Beschädigungen und 21 Tage für Gepäckverspätungen, daher ist es sinnvoll, den PI-Report sofort auszufüllen.
"Es ist wichtig, diese Tipps zu beachten. Sonst verpassen Sie die Chance auf Entschädigungszahlungen", so der Reiserechtsexperte. Er empfiehlt gerade bei Dienstreise zudem eine Reisegepäckversicherung, denn nicht selten ist bei Gepäckverlust der Schaden höher als über das Montrealer Übereinkommen gedeckt. Es besteht auch die Möglichkeit, die Haftung der Airline bei wertvollem Gepäck zu erweitern. Hierfür müssen Sie das Gepäck gegen eine Zuzahlung gesondert deklarieren.
Um mögliche Ansprüche für einen mangelhaften Hotel-Aufenthalt durchsetzen zu können, sind diese Punkte zu beachten:
- Mängel bildlich dokumentieren (Beweise sichern);
- Sofortige Behebung des Mangels verlangen;
- Kontaktdaten von Zeugen aufnehmen.
Reiserecht für Unternehmen und Arbeitgeber
Wenn sich der Arbeitgeber die Ansprüche auf Entschädigung bei Geschäftsreisen nicht hat abtreten lassen, kann er für den durch die Flugverspätung entstandenen Aufwand Schadensersatz von der Fluggesellschaft selbst fordern. Der Arbeitgeber kann Schadenersatz verlangen für die Reiseverspätungen seiner Mitarbeitenden bei:
- Kosten für verlorene Arbeitszeit inklusive der Sozialversicherungsbeiträge;
- Überstundenzuschläge und andere Zuschläge, die dem Arbeitnehmenden aufgrund der Verspätung zustehen;
- Vertragsstrafen wegen nicht eingehaltener Termine und
- entgangene Umsätze (zum Beispiel für einen verpassten Beratungseinsatz).
Im Gegensatz zur Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung gibt es für Schadenersatz nach dem Montrealer Übereinkommen jedoch keine Pauschalen. Der Arbeitgeber muss hier konkret belegen, welcher Schaden ihm durch die Flugverspätung auf der Dienstreise entstanden ist. Schadenersatz kann auch bei Dienstreisen nicht in unbegrenzter Höhe gefordert werden. Nach dem Montrealer Übereinkommen beträgt der maximale Schadenersatz für Flugverspätungen aktuell pro Passagier etwa 5.900 Euro.
Legal Tech wichtig bei sogenannten Bagatellfällen
Die Reiserechts-Experten von Schumacher & Partner setzen bei solchen Fällen auf Legal Tech. Denn durch die (teil-)automatisierten Prozesse kommen Geschäftsreisende selbst in sogenannten "Bagatellfällen" zu ihrem Recht, ohne dass hohe Anwaltskosten entstehen. Damit erhalten sie direkt eine Einschätzung auf die Erfolgsaussichten ihres Falls. Zusätzlich haben sie (oder ihre Rechtsschutzversicherung) während der Abwicklung einfachen Zugriff auf den Status ihres Falls und die Fristen. Speziell für Reisende ohne Rechtsschutzversicherungen bietet die Plattform StressimUrlaub, mit der die Kanzlei Schumacher & Partner für solche Fälle eng kooperiert, eine Lösung.
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ich glaube, da ist Ihnen ausnahmsweise eine Ungenauigkeit passiert: "Bei einer Dienstreise oder Geschäftsreise gilt die Reisezeit als Arbeitszeit" stimmt leider so nicht. Die Reisezeit wird lediglich WIE Arbeitszeit bezahlt, ist arbeitsrechtlich aber keine Arbeitszeit. vgl BAG, Urteil vom 17. Oktober 2018, Az: 5 AZR 553/17
Danke für Ihren Hinweis. Das ist natürlich richtig. Wenn man es ganz genau nehmen möchte, hat das BAG entschieden, dass für erforderliche Reisezeiten eine Vergütungspflicht besteht und dass deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG für die Vergütungspflicht unerheblich ist. Reisezeit kann (Beanspruchungstheorie) Arbeitszeit sein, oft ist sie es in der Tat nicht.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe-Online-Redaktion