Brexit-Auswirkungen für Unternehmen in Deutschland

Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben am 24. Dezember 2020 ein Handels- und Kooperationsabkommen geschlossen, das ihre (Handels-)Beziehungen ab dem 1. Januar 2021 regelt. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Großbritannien entsenden und für britische Unternehmen, deren Beschäftigte in Deutschland tätig werden sollen?

Die EU und das Vereinigte Königreich haben vereinbart, das derzeitige arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Schutzniveau von Beschäftigten nicht zu senken, wenn eine solche Verringerung des Schutzes zu einer Beeinträchtigung des Handels oder der Investitionen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich führen könnte. Als solche Schutzbereiche werden im Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement, kurz TCA) beispielhaft genannt: Grundlegende Arbeitnehmerrechte, faire Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Umstrukturierungen von Unternehmen. Dagegen können Änderungen der Beschäftigungsbedingungen ohne negative Auswirkungen auf den Handel nach dem TCA zulässig sein.

Denkbar ist zum Beispiel, dass das Vereinigte Königreich die derzeitige, vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Rechtslage abändert, wonach Urlaubsansprüche auch während der Krankheitszeit eines Arbeitnehmers weiter entstehen. Eine weitere mögliche Anpassung, die sich nicht auf den Handel oder auf Investitionen auswirken dürfte, wäre, dass das Urlaubsgeld nicht mehr auf Basis aller Bestandteile der Gesamtvergütung berechnet wird (so die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs), sondern nur noch auf Grundlage des Grundgehalts. Jeder Verstoß gegen vorgenannte "Schutzpflichten" kann Gegenstand einer Konsultation zwischen den TCA-Parteien und/oder einer Untersuchung und Überprüfung durch ein Expertengremium sein.

Brexit-Abkommen soll gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellen

Dieses Konzept spiegelt den übereinstimmenden Willen der EU und des Vereinigten Königreichs für gleiche Wettbewerbsbedingungen, für einen offenen und fairen Wettbewerb und für eine nachhaltige Entwicklung ("level playing field for open and fair competition and sustainable development") in wirtschaftlichen Schlüsselbereichen wie der Arbeits- und Sozialpolitik, dem Umwelt- oder Klimaschutz oder der Subventionskontrolle wider. Hierzu sieht das TCA bei erheblichen Abweichungen in den vorgenannten Bereichen die Möglichkeit einseitiger Ausgleichsmaßnahmen vor, wie etwa die Einführung von Zöllen, wenn diese Abweichungen den Handel oder die Investitionen zwischen den Parteien wesentlich beeinträchtigen würden.

Was vor einer Dienstreise nach Großbritannien zu regeln ist

Dienstreisen von Staatsangehörigen des Europäischen Wirtschaftsraums ("EWR", das heißt der EU-Mitgliedsstaaten und von Norwegen, Island und Liechtenstein) sowie der Schweiz in das Vereinigte Königreich, werden in begrenztem Umfang weiterhin ohne Visum oder Arbeitserlaubnis für bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitrahmens von sechs Monaten möglich sein. Dies gilt für Aktivitäten wie zum Beispiel die Teilnahme an Besprechungen oder Vertragsverhandlungen, Messen und Ausstellungen, Einkaufsveranstaltungen sowie für After-Sales- und After-Lease- Kundendienstleistungen.

Für das eigentliche Einreiseverfahren Staatsangehöriger des EWR oder der Schweiz an der Grenze des Vereinigten Königreichs empfiehlt es sich, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten für kurze Dienstreisen ein Schreiben aushändigen, in dem die Tätigkeiten, die sie im Vereinigten Königreich ausüben werden, sowie die Dauer dieser Tätigkeiten beschrieben sind und dass die Person keine Tätigkeiten ausübt, die über den Rahmen der Dienstreiseregelungen hinausgehen. Darüber hinaus sollten Beschäftigte insbesondere Nachweise über ihre Unterkunft, ihre finanzielle Absicherung und ihre Rückreisemodalitäten mit sich führen, wenn dies möglich ist.

Für Beschäftigte aus Deutschland werden bei Dienstreisen in das Vereinigte Königreich weiterhin die sogenannten A1-Bescheinigungen (Dokumente, die die ununterbrochene Mitgliedschaft des Beschäftigten im deutschen Sozialversicherungssystem bestätigen) verwendet. EWR-Staatsangehörige, die Aktivitäten außerhalb der vom TCA gestatteten Tätigkeiten ausüben möchten, müssen ein "Skilled-Worker"-Visum beantragen. Zu beachten ist außerdem, dass EWR-Staatsangehörige ab dem 1. Oktober 2021 bei der Einreise in das Vereinigte Königreich ihren Reisepass mitführen müssen. Der deutsche Personalausweis wird nicht mehr ausreichen.

Einreise aus dem Vereinigten Königreich in die EU

Für Dienstreisen aus dem Vereinigten Königreich in die EU gelten zusätzlich zu den allgemeinen Regelungen für Reisende weitere Anforderungen, wie zum Beispiel Einreisebestimmungen (Dokument, das den Zweck und die voraussichtliche Dauer der Reise bestätigt, Nachweis einer geeigneten Unterkunft und der für die Reise zur Verfügung stehenden Mittel) sowie das Erfordernis, dass Reisende über bestimmte Ausweisdokumente verfügen müssen (zum Beispiel mindestens sechs Monate Laufzeit des Reisepasses). Wenn für weniger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen aus dem Vereinigten Königreich in ein EU-Land gereist wird, dürfen, wie im umgekehrten Fall, bestimmte Aktivitäten ohne Visum oder Arbeitserlaubnis durchgeführt werden, zum Beispiel die Teilnahme an einem Geschäftstreffen. Wenn der Aufenthalt länger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen erfolgen soll, kann, je nach den konkreten Umständen, ein Visum erforderlich werden.


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