Lohnfortzahlung trotz vorübergehender Verhinderung
Die Geburt eines Kinds, ein Sterbefall in der Familie, die eigene Hochzeit oder jene der eigenen Kinder oder auch ein Umzug: Immer wieder gibt es Anlässe, weshalb ein Mitarbeiter vorübergehend nicht zur Arbeit erscheinen kann. Handelt es sich – wie in den genannten Beispielen – um einen "in seiner Person liegenden Grund", haben Arbeitnehmer nach § 616 BGB auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Weitere Voraussetzung dafür ist, dass der Mitarbeiter lediglich eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" nicht zur Arbeit erscheinen kann und den Arbeitsausfall nicht verschuldet hat.
Wichtig ist jedoch auch: Die Vorschrift greift als Auffangregelung nur, soweit keine anderen Sondervorschriften gelten oder vertragliche Bestimmungen vereinbart sind. Im Vergleich zu vielen arbeitsrechtlichen Vorschriften kann die Regelung auch zum Nachteil des Arbeitnehmers beschränkt oder gar insgesamt ausgeschlossen werden.
Krankes Kind als persönliche Verhinderung
Auch bei der Pflege eines kurzfristig erkrankten Kindes, kann sich der Mitarbeiter unter Umständen auf § 616 BGB berufen. Er muss jedoch durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen, dass die Pflege erforderlich ist. Können andere Personen, beispielsweise Verwandte im Haushalt des Arbeitnehmers, das erkrankte Kind pflegen, so steht dem Mitarbeiter die Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB nicht zu. Kommen nur der Vater oder die Mutter als geeignete Pflegepersonen in Betracht und sind sie beide berufstätig, so können grundsätzlich die Eltern darüber entscheiden, wer von ihnen die Pflege übernehmen soll.
Wie lange der Arbeitgeber den Lohn weiterbezahlen muss, ist § 616 BGB nicht direkt zu entnehmen. Die Vorschrift spricht insofern nur von einem Anspruch, wenn der Mitarbeiter lediglich eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" der Arbeit fern bleibt. Bei Kindern unter acht Jahren, die im Haushalt des Mitarbeiters leben, wird meist eine bezahlte Freistellung zumindest bis zu fünf Tagen anerkannt.
BAG: Freistellung für jedes Kind, Obergrenze sind fünf Tage
Im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) gibt es dazu eine Spezialregelung, die zumindest für privat versicherte Angestellte wichtig ist. Wie diese auszulegen ist, darüber hatte nun das BAG zu entscheiden. In § 29 Abs. 1 TVöD sind die Gründe einer vorübergehenden Verhinderung aus § 616 BGB konkretisiert. Danach muss der Arbeitgeber einen Mitarbeiter beispielsweise bis zu vier Arbeitstage im Kalenderjahr bezahlt freistellen, wenn dieser sein unter zwölfjähriges Kind pflegt.
Die obersten Arbeitsrichter gaben nun einer Frau aus Sachsen recht, die im April 2010 für die Pflege ihrer kranken Tochter einen fünften Tag bezahlter Freistellung beantragt hatte. Dies hatte die Verwaltung abgelehnt, da die Frau zuvor bereits vier Tage bezahlte Freistellung für ihren erkrankten Sohn in Anspruch genommen hatte. Die Frau wurde zwar von der Arbeit freigestellt, bekam jedoch kein Gehalt dafür.
Die Revision der Frau vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Der TVöD begrenzt zwar den Anspruch auf bezahlte Freistellung für jedes schwer erkrankte Kind unter zwölf Jahren auf höchstens vier Arbeitstage im Jahr. Bei schwerer Erkrankung eines anderen Kinds sei jedoch ausschließlich die festgesetzte Obergrenze von insgesamt fünf Arbeitstagen maßgebend, erklärte das Gericht. Der Frau steht daher noch die Vergütung für einen Freistellungstag von 165,21 Euro brutto zu.
BAG-Urteil nur bei privat versicherten Angestellten
Das BAG-Urteil selbst ist nach Angaben eines Sprechers nur für einen kleinen Kreis von Angestellten im öffentlichen Dienst von Belang. Es gelte nicht für gesetzlich Krankenversicherte, die von ihren Kassen bei Pflege eines erkrankten Kinds zehn Tage Krankengeld bekommen, bei mehreren Kindern bis zu 25 Tagen im Jahr.
Hinweis: Aktuelle Entscheidung: BAG-Urteil vom 5. August 2014, Az. 9 AZR 878/12; Vorinstanz: Sächsisches LAG, Urteil vom 22. März 2012, Az. 9 Sa 487/11
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