Anpassung der Betriebsrente zu spät gerügt
Die Verfahrensregel des § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt meist ins Spiel, wenn es darum geht, ob der Berechtigte entscheidende Fristen noch eingehalten hat – oder eben nicht. Diese Regelung der Zivilprozessordnung, die beispielsweise auf Klagen anzuwenden ist, die das Gericht an den Beklagten zustellt, besagt: "Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt."
Anpassung der Betriebsrente gerügt
Der dritte Senat des BAG entschied nun: Für die Rügefrist des § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) ist die genannte Rückwirkung der ZPO-Vorschrift nicht anzuwenden. Eine Klage, die zwar innerhalb der Frist bei Gericht eingeht, dem Arbeitgeber aber erst danach zugestellt wird, genügt nicht. Für § 16 BetrAVG bedarf es einen tatsächlichen Zugang der Rüge beim Arbeitgeber – innerhalb des vorgesehenen Zeitraums.
Im konkreten Fall hatte ein Betriebsrentner geklagt. Er ging dagegen vor, dass sich der Arbeitgeber auf eine reallohnbezogene Obergrenze bezogen und die Betriebsrente zum Stichtag 1. Juli 2008 entsprechend angepasst hatte. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hält der Betriebsrentner die Entscheidung des Arbeitgebers für unrichtig, muss er dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen.
Arbeitgeber muss am Stichtag Bescheid wissen
Genau dies veranlasste der Betriebsrentner jedoch zu spät, urteilte der dritte Senat des BAG, und beanstandete die Anpassungsentscheidung erst Ende Juni 2011. Dabei wandte er sich nicht direkt an den Arbeitgeber, sondern reichte beim Arbeitsgericht eine Klage ein und verlangte eine höhere Betriebsrente. Das Gericht stellte die Klage – wie üblich – erst einige Tage später, in diesem Fall am 6. Juli 2011, dem Arbeitgeber zu – also nach dem Anpassungsstichtag.
Das BAG lehnte nun die Klage ab und versagte die höhere Betriebsrente, da die Rüge den Arbeitgeber verspätet erreicht habe, also erst nach dem 30. Juni 2011. Die Auslegung des § 16 BetrAVG ergebe jedoch, dass der Arbeitgeber bereits am aktuellen Anpassungsstichtag Klarheit haben müsse, argumentierten die Richter. Um die wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen zu können, müsse er wissen, ob und in wie vielen Fällen eine vorangegangene Anpassung gerügt wurde.
BAG uneins, wann Frist gewahrt wird?
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte als Vorinstanz der Klage noch stattgegeben und befand sich dabei in bester Gesellschaft. Denn bereits 2008 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung geändert. Das oberste Zivilgericht wendet seitdem § 167 ZPO grundsätzlich auch dann an, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, bei der auch eine außergerichtliche Geltendmachung genügen würde.
Auch das BAG selbst hat sich im Juni 2014 die Rechtsprechung des BGH quasi zum Vorbild genommen. Der achte Senat des Gerichts entschied, dass es für eine Schadensersatzforderung nach AGG genügt, eine Klage rechtzeitig bei Gericht einzureichen, um entsprechende Fristen zu wahren. Da nun der dritte Senat des BAG – wie übrigens zuvor auch das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 9. August 2012, Az. 18 Sa 22/12) – keine Rückwirkung nach § 167 ZPO zulässt, darf man auf die Begründung des Urteils gespannt sein. Handelt es sich nicht lediglich um eine Ausnahme, dürfte interessant werden, wie sich die beiden BAG-Senate künftig einigen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 21. Oktober 2014, Az. 3 AZR 690/12; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. April 2012, Az.23 Sa 2228/11
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