Können Arbeitgeber Kündigungsschutzrechte abkaufen?

Haufe Online-Redaktion: Könnte ein solches Gesetz auch in Deutschland erlassen werden?
Dr. Marc Spielberger: Einmal ausgeblendet, dass sich hierfür in Deutschland die politische Mehrheit nicht finden ließe, wäre ein solches Gesetz mit einem gänzlichen Verzicht auf Kündigungsschutz verfassungsrechtlich problematisch. Art. 12 GG sieht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers und dem Lösungsinteresse des Arbeitgebers vor und gewährt einen Mindeststandard an Schutz für Arbeitnehmer. Die nähere Ausgestaltung erfolgt dann durch Gesetz. Was auch in Deutschland gelegentlich einmal erörtert wird, ist die Frage, ob es anstelle des festen Bestandschutzes eine verbindliche Abfindungsregelung geben soll, wie es sie in anderen europäischen Ländern gibt.
Haufe Online-Redaktion: Können Arbeitnehmer hierzulande individuell auf ihren Kündigungsschutz verzichten?
Dr. Marc Spielberger: Vor dem Zugang einer Kündigung kann der Arbeitnehmer nicht wirksam auf seinen Kündigungsschutz verzichten. Nach Ausspruch einer Kündigung ist das natürlich möglich und letztlich Bestandteil eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags. Das Ganze muss schriftlich geregelt werden. Regelmäßig fließen (finanzielle) Gegenleistungen des Arbeitgebers für ein vorzeitiges Ausscheiden. Bei Massenentlassungen gibt es häufig auch spezielle Betriebsvereinbarungen, die eine zusätzliche "Turboprämie" vorsehen, wenn der Arbeitnehmer nicht klagt.
Haufe Online-Redaktion: Geht das für Arbeitgeber auch kostenlos?
Dr. Marc Spielberger: Es muss kein Geld in Form einer Abfindung fließen oder überhaupt eine Gegenleistung vereinbart werden. Eine Einschränkung gibt es: Verzichtet der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber vorformulierten Erklärung auf sein Klagerecht und erhält keine Abfindung, so ist der Verzicht unwirksam. Anders bei einer individuell ausgehandelten Vereinbarung, in der auch nur das Ausscheiden geregelt werden kann.
Haufe Online-Redaktion: Gibt es gesetzliche Regelungen hierzu?
Dr. Marc Spielberger: In § 1a KSchG ist eine gesetzliche Variante des Verzichts auf eine Kündigungsschutzklage geregelt: Der Arbeitgeber kündigt betriebsbedingt und erklärt, dass bei Verstreichenlassen der Klagefrist der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält (0,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr).
Das Interview führt: Renate Fischer, Ass. jur. (Haufe Lexware)
Interviewpartner: Dr. Marc Spielberger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in München
Weiter zum Beitrag in der Zeitschrift "Die Welt" vom 9.10.2012
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.765
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
7.4144
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
4.8972
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
4.776
-
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnen
3.98216
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
3.802
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.277
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.0041
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
2.979
-
Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber
2.658
-
Keine Entschädigung wegen verspäteter Datenauskunft
14.04.2025
-
Wahrheiten zur betrieblichen Übung: Gibt es am Ostersonntag Feiertagszuschlag?
11.04.2025
-
Der Koalitionsvertrag aus arbeitsrechtlicher Sicht
10.04.2025
-
Schwangere darf später gegen Kündigung vorgehen
09.04.2025
-
Keine Zahlung aufgrund falscher Lohnabrechnung
07.04.2025
-
Kein Schadensersatz wegen Nichteinführung des Vaterschaftsurlaubs
04.04.2025
-
Wann kann der Arbeitgeber Überstunden anordnen und wie werden sie vergütet?
03.04.2025
-
Virtuelle Aktienoptionen bei Karenzentschädigung einbeziehen?
02.04.2025
-
Kein Wertguthaben bei kontinuierlicher Altersteilzeit
31.03.2025
-
Wie sich die Zeitumstellung auf Arbeitszeit und Vergütung auswirkt
28.03.2025