Ein katholisches Krankenhaus kann seinen Chefarzt nicht allein wegen dessen Wiederverheiratung kündigen. Es muss eine Interessenabwägung durchgeführt werden.

Trotz gesteigerter Loyalitätspflichten der Mitarbeiter vonreligösen Einrichtungen hinsichtlich des jeweiligen Selbstverständnisses, ist eine ordentliche Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn die Weiderverheiratung auch unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein hinreichend schweres Ausmaß hat.

 

Wenn die große Liebe zum 2. Mal anklopft

Der klagende Chefarzt war seit 2000 bei der Beklagten, die mehrere Krankenhäuser betreibt, beschäftigt. Dem Dienstvertrag lag die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23.9.1993 (GO) zugrunde. Art. 4 dieses Regelwerks setzt die Anerkennung und Beachtung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre durch die Mitarbeiter voraus.

Bei schwerwiegenden Loyalitätsverstößen der Mitarbeiter kommt nach Art. 5 Abs. 2 GO auch eine Kündigung aus "kirchenspezifischen Gründen" in Betracht. Darunter fällt auch eine nach dem katholischen Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige (weil zweite) Eheschließung.

Die erste Ehefrau des Chefarztes hatte sich von diesem getrennt. Daraufhin lebte dieser mit seiner jetzigen Frau von 2006 bis 2008 unverheiratet zusammen, was der beklagten Arbeitgeberin auch bekannt gewesen war. 2008 heiratete der Chefarzt schließlich seine jetzige Ehefrau standesamtlich, nachdem er sich zuvor von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen.

Als die Arbeitgeberin hiervon Kenntnis erhielt, sprach sie am 30.3.2009 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 30.9.2009 aus. Hiergegen erhob der Chefarzt Kündigungsschutzklage. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem klagenden Arzt Recht und stellten die Unwirksamkeit der Kündigung fest.

 

Urteil: Der Chefarzt darf bleiben

Die Kündigung des Chefarztes ist sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG. entschieden die Richter.

Das BAG stuft zwar die Wiederverheiratung des Arztes als erheblichen Verstoß gegen die Loyalitätspflichten ein. Dieser Verstoß allein rechtfertigt jedoch nicht die ausgesprochene Kündigung, da das Interesse des Arztes an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses "unter dem Strich" hier überwiege.

Maßgebend für diese Annahme sei der Umstand, dass die Arbeitgeberinin ihrer Grundordnung (GO) und ihrer Praxis von ihren leitenden Mitarbeitern kein Lebenszeugnis verlangt, dass sich durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtet. Dies komme dadurch zum Ausdruck, dass sie auch nichtkatholische, wiederverheiratete Ärzte beschäftigt und die nichteheliche Lebensgemeinschaft des klagenden Arztes zwischen 2006 und 2008 nicht beanstandet hatte, obwohl dies mit der katholischen Glaubens- und Sittenlehre genauso wenig vereinbar sei.

Ins Gewicht fiel auch das weitere Festhalten des Arztes im Hinblick auf die katholische Glaubens- und Sittenlehre. Ausgehend von diesen Erwägungen überwiege im konkreten Rechtsstreit ebenfalls der grundrechtlich geschützte Wunsch des Klägers und dessen zweiter Ehefrau, in einer geordneten Ehe zusammenleben zu können(BAG, Urteil vom 8.9.2011, 2 AZR 543/10).


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