Kündigung wegen Testverweigerung unwirksam
Wenn Beschäftigte arbeitsvertragliche Pflichten verletzen, müssen sie mit einer Kündigung rechnen. Eine solche scheidet aus, wenn ein milderes Mittel wie eine Abmahnung ausreichen kann, um eine künftige Verhaltensänderung zu bewirken. Immer wieder müssen sich Arbeitsgerichte zurzeit damit beschäftigen, wie Arbeitgeber richtig darauf reagieren, wenn Mitarbeitende die vorgegeben Corona-Schutzmaßnahmen wie Maske, Abstand oder verpflichtende Corona-Tests im Betrieb verweigern.
So auch im vorliegenden Fall. Die verhaltensbedingte Kündigung war hier nicht die richtige arbeitsrechtliche Konsequenz - auch wenn der Arbeitgeber schon vor der gesetzlichen Testpflicht am Arbeitsplatz Testnachweise von seinen Berufsfahrern verlangen durfte.
Der Fall: Anordnung einer regelmäßigen Corona-Testpflicht für Fahrer
Der Arbeitnehmer war seit 2019 als Fahrer in einem Mobilitätsunternehmen am Standort Hamburg beschäftigt. Bei diesem vollelektronischen "Ride-Sharing"-Dienstleister befördern die Fahrer mit den gestellten Fahrzeugen bis zu sechs Fahrgäste pro Fahrt gleichzeitig. Als der Arbeitgeber ab April 2021 in Hamburg Nachtfahrten des öffentlichen Personennahverkehrs übernahm, verkündete er in einer Pressemitteilung, dass die Fahrer regelmäßig auf Corona-Infektionen getestet würden - neben anderen Infektionsschutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder Trennwänden. Seine ungeimpften oder nicht gerade genesenen Mitarbeitenden verpflichtete er kurz darauf zur Testpflicht, indem er diese als Vorgabe in das sogenannte "Fahrer-Buch" aufnahm.
Gemäß § 3 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages ist der Mitarbeiter verpflichtet, die Vorgaben des Fahrer-Handbuchs des Arbeitgebers "strengstens" zu befolgen.
Streit um Corona-Schnelltest: Nach Weigerung folgt Hausverbot, dann Kündigung
Der Arbeitnehmer lehnte es am ersten Tag ab, vor Fahrtbeginn den vom Arbeitgeber bereitgestellten Corona-Schnelltest vor Ort durchzuführen. Auch die Mitnahme von Testkits, um sich regelmäßig zu Hause selbst zu testen, lehnte er ab. Daraufhin stellte der Arbeitgeber ihn für diesen Tag unbezahlt von der Arbeit frei. Zunächst hatte der Mitarbeiter angekündigt, am nächsten Tag selbst einen Test mitzubringen. Dies tat er jedoch nicht, weigerte sich jedoch weiterhin einen solchen vor Ort zu machen. Am dritten Tag fragte er nach weniger invasiven Tests, wie einem Spuck- oder Gurgeltest. Der Arbeitgeber erteilte ihm daraufhin Hausverbot verwies ihn vom Betriebsgelände. Dann kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 15. Juli 2021 ordentlich, woraufhin der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage einlegte.
ArbG Hamburg: Kündigung hat keinen Bestand
Die Klage des Arbeitnehmers hatte vor dem Arbeitsgericht Hamburg Erfolg. Die verhaltensbedingte Kündigung war nach Auffassung der Hamburger Richter nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Dazu stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber durchaus berechtigt war, im Betrieb eine Testpflicht anzuordnen. Die Anordnung, einen solchen Test erstmalig vor Ort auf dem Betriebsgelände durchzuführen, sei rechtmäßig und vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt gewesen. Mit der Weigerung, sich für die Aufnahmen seiner Tätigkeit testen zu lassen, habe der Arbeitnehmer daher auch gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen. Zur Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist sei der Arbeitgeber jedoch nicht berechtigt gewesen.
Vor Kündigung hätte Abmahnung erfolgen müssen
Unter Berücksichtigung aller Umstände wäre nach der Auffassung des Gerichts zunächst eine Abmahnung das mildere Mittel gewesen, um den Fahrer zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Eine Abmahnung sei in diesem Fall nicht entbehrlich gewesen, denn auch wenn die vom Arbeitgeber angebotenen Schnelltests nach Überzeugung des Gerichts generell genauso wenig invasiv sind wie etwa ein Gurgel- bzw. Spucktest sei der Arbeitnehmer offenbar bereit gewesen, einen solchen durchzuführen. Zumindest habe er gedacht, der Arbeitgeber müsse ihm einen solchen bereitstellen.
Hinweis: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 24.11.2021, Az: 27 Ca 208/21
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