Mindestlohn: Bald weniger Dokumentationspflichten für Arbeitgeber

Seit 1. Januar gilt der gesetzliche Mindestlohn. Die damit verbundenen Dokumentationspflichten für Arbeitgeber sorgen schon seit einiger Zeit für Diskussionen – auch innerhalb der Koalitionsparteien. Nun hält die Bundeskanzlerin sogar eine Korrektur beim Mindestlohn für möglich.

Drei Wochen nach dem Start des gesetzlichen Mindestlohns hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Änderungen für weniger Bürokratie in Aussicht gestellt. "Denn wir wollen kleineren Unternehmen das Leben nicht zu einer dauerhaften bürokratischen Herausforderung machen", sagte sie beim Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbands in ihrem Wahlkreis in Greifswald.

Merkel will sich für Korrekturen aber erst noch Zeit lassen. Sie sagte, der Mindestlohn sei von weiten Teilen der Gesellschaft gewünscht worden. Nun werde sich die Regierung die Entwicklung drei Monate ansehen und dann überlegen, wie gegebenenfalls Bürokratie abgebaut werden könne.

Konflikt in der Koalition ist programmiert

Allein die Einräumung einer möglichten Änderung rief den Koalitionspartner mit Kritik auf den Plan. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Das Gesetz ist seit drei Wochen in Kraft, da sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit, es zu ändern." Und weiter: "Die exakten Bestimmungen im Gesetz sind eine klare Botschaft an die Arbeitgeber: Wir dulden keine Mogelei." Man könne es sich nicht leisten, ein Mindestlohn-Versprechen gesetzlich zu garantieren und es dann mangels Kontrolle ins Leere laufen zu lassen, so Oppermann. Deswegen würden künftig auch weit über 1.000 Zollbeamte die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren und Schwarzarbeit bekämpfen.

Der CDU-Abgeordnete und Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), Christian von Stetten, erklärte dagegen: "Die reale Wirtschaft ist kein SPD-Programmparteitag." Die Wirtschaftspolitiker der Union hätten Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mehrfach vor einem bürokratischen Monster gewarnt. Merkel müsse Nahles anweisen, Ausführungsbestimmungen unverzüglich zu ändern.

Nachweispflicht: Erleichterung durch Verdienstgrenze

Der Stein des Anstoßes: Arbeitgeber sind laut der Mindestlohn-Verordnung verpflichtet, für bestimmte Arbeitnehmer die Arbeitszeit exakt zu dokumentieren. Ab einem Verdienst von 2.958 Euro pro Monat entfällt die Verpflichtung. Auch zwei weitere Verordnungen des Bundesfinanzministeriums sollen die Pflichten für Arbeitgeber aus dem Mindestlohngesetz im Detail festlegen und Kontrollen effizienter gestalten. Unabhängig davon sorgt auch der Einsatz von Praktikanten für Verwirrung.

Der PKM will schon am 3. Februar einen Antrag zur Abstimmung in der Fraktion stellen, der Dokumentationspflichten für Firmen abschwächen soll. Sie sollen aufgehoben werden, wenn in einem Arbeitsvertrag steht, dass der Arbeitnehmer 8,50 Euro pro Stunde - die Höhe des Mindestlohns - erhält.

Die Bundesarbeitsministerin setzt dagegen noch wie die Kanzlerin auf wachsende Erfahrungen. "Die Kanzlerin hat darauf hingewiesen, dass es Sinn macht, erst einmal die Entwicklung zu beobachten", sagte ein Sprecher, "und sich dann zusammenzusetzen und die Auswirkungen zu analysieren." Das Ministerium beobachte die Umsetzung des Mindestlohns, aber auch Missbrauchskonstellationen.

Mindestlohn gilt auch für ausländische Transportunternehmen

Neben Beschwerden über zu viel Bürokratie gibt es auch Ärger im benachbarten Ausland. Dort sorgt der deutsche Mindestlohn für erheblichen Ärger, zum Beispiel bei osteuropäischen Transportunternehmen. Denn auch ausländische Lkw-Fahrer haben bei Transitfahrten durch die Bundesrepublik nach dem Mindestlohngesetz einen Anspruch auf 8,50 Euro je Stunde - deutlich mehr als in ihrer Heimat.

"Unserer Einschätzung nach ist das Gesetz nicht im Einklang mit europäischem Recht", sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Prag am Dienstag auf Anfrage. Auch die EU-Kommission prüft die Beschwerden. "Wir untersuchen derzeit die bei uns vorgebrachten Bedenken", sagte ein Sprecher in Brüssel. Mehrere Staaten sowie Vertreter des Verkehrssektors hätten die EU-Behörde auf die deutsche Praxis aufmerksam gemacht. Der Kommissionssprecher betonte, dass das deutsche Mindestlohngesetz "in vollem Einklang mit dem sozialpolitischem Engagement der EU-Kommission" stehe. Deutschland habe als 22. EU-Land den nationalen Mindestlohn eingeführt.

Dass Anfragen zur deutschen Lohnuntergrenze aus der Tschechischen Republik oder Polen kämen, das teilte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums in Berlin mit. Dann erläutere das Haus gerne, warum die entsprechende Regeln gültig seien und die Regierung sie für vereinbar mit der EU-Entsenderichtlinie halte.

Der Branchenverband des tschechischen Speditionsgewerbes, Cesmad Bohemia, verurteilte die Mindestlohn-Regelung als einen "Schlag unter die Gürtellinie in einem vereinten Europa". Seit dem 1. Januar gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. In Tschechien beträgt er 48,10 Kronen je Stunde, umgerechnet 1,72 Euro.

Kontrolle durch den Zoll

Für die Mindestlohn-Kontrolle zuständig ist auch in diesen Fällen der Zoll. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums skizzierte den entsprechenden Weg: Das entsendende Unternehmen lege dem Zoll eine Einsatzplanung vor. Zusätzlich könne der Zoll Arbeitnehmer auch auf der Autobahn kontrollieren. Schließlich könne er auch etwa von polnischen Spediteuren Daten etwa zum Gehalt verlangen und dann die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren. Mögliche Bußgelder könnten Zehntausende Euro betragen, so der Sprecher des Arbeitsressorts. Die Vollstreckung erfolge im EU-Ausland auf Grundlage der EU-Beitreibungsrichtlinie, ergänzte das Finanzministerium.

Personal in Flugzeugen, die über Deutschland fliegen, seien dagegen nicht automatisch betroffen, ergänzte der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums. "Diese Ableitung kann man so ohne weiteres nicht treffen." Der Mindestlohn gelte aber für alle, die sich während ihrer Beschäftigung in Deutschland aufhalten. Ausnahmen würden den Mindestlohn durchlöchern.

dpa

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