Nebenjob bei Tönnies: Urteil zu fristlosen Kündigungen

Ein Arbeitgeber kündigte mehreren Mitarbeitern fristlos, als er von deren Nebenjob beim Fleischverarbeiter Tönnies erfuhr. Zu dem Zeitpunkt wurde dort die Masseninfektion der Belegschaft mit dem Coronavirus bekannt. Das Arbeitsgericht Bielefeld hat erste Kündigungen für nicht rechtmäßig erklärt.

Im Juni 2020 machte der Fleischverarbeiter Tönnies negative Schlagzeilen, als es am Standort Rheda-Wiedenbrück zu einem großen Ausbruch von Coronafällen unter den Beschäftigten kam. In diesem Zusammenhang kündigte ein ortsansässiger Automobilzulieferer mehreren Mitarbeitern fristlos, weil sie bei Tönnies einem nicht genehmigten Nebenjob nachgingen. Das Arbeitsgericht Bielefeld musste sich mit mehreren Kündigungsschutzklagen gegen den Automobilzulieferer befassen. In zwei Verfahren entschied das Gericht bereits zu Gunsten der entlassenen Mitarbeiter, wie auch der DGB Rechtsschutz Bielefeld mitteilte. 

Fristlose Kündigung wegen Nebenjob bei Tönnies

Der Arbeitgeber, ein Automobilzulieferer im Raum Gütersloh, kündigte im Juli 2020 mehreren Mitarbeitern fristlos. Sie alle hatten neben ihrem regulären Job einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Nebenjob in der Fleischfabrik Tönnies ausgeübt. Dabei reinigten sie regelmäßig sonntags eine Halle auf dem Firmengelände, indem automatisiert Schweinehälften schockgefrostet werden. Während der Arbeit trugen sie Schutzausrüstung und hatten keinen Kontakt zu Produktionsmitarbeitern. Der Arbeitgeber erfuhr von diesem Nebenjob erst, als es im Juni 2020 bei Tönnies zu einem großen Ausbruch mit dem Coronavirus unter der Belegschaft kam.

Kündigung auch wegen Gefahr einer Coronainfektion im Betrieb

Denn auch Beschäftigten des Zulieferers mussten als Tönnies-Mitarbeiter per behördlicher Verfügung 14 Tage in häusliche Quarantäne. Der Arbeitgeber sprach den Beteiligten daraufhin die fristlose Kündigung aus. Zum einen, weil er sich getäuscht fühlte, da der Nebenjob nicht genehmigt war. Zum anderen, weil die nebenberuflichen Reinigungskräfte ihre Kollegen im Hauptjob durch die Gefahr einer Coronavirusinfektion gesundheitlich sowie den Betrieb wirtschaftlich gefährdet hätten.

ArbG Bielefeld: Kündigung war nicht rechtmäßig

Über die Kündigungsschutzklagen von zwei gewerkschaftlich vertretenen Mitarbeitern des Zulieferbetriebs hat das Arbeitsgericht Bielefeld nun entschieden und die fristlosen Kündigungen für unwirksam erklärt. In einem Fall liegt die schriftliche Begründung vor, wonach die Pflichtverletzung der Beschäftigten die Kündigung nicht rechtfertigt. Nach Auffassung der Richter hätten die Arbeitnehmer ihren Hauptarbeitgeber zwar über den Nebenjob informieren müssen, dieser hätte die Nebentätigkeit jedoch genehmigen müssen. Die Reinigungstätigkeit am Sonntagmorgen beeinträchtigte die Tätigkeit im Schichtbetrieb beim Zulieferer unter der Woche grundsätzlich nicht. Die Kündigung war zudem schon wegen einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Möglichkeit einer Coronainfektion war kein Kündigungsgrund

Eine Kündigung durfte aus Sicht des Gerichts auch nicht mit der Begründung einer möglichen Gesundheitsgefahr durch eine Coronainfektion erfolgen. Von den Mitarbeitern, die nebenher bei Tönnies arbeiteten, ging kein erhöhtes Infektionsrisiko aus, entschied das Arbeitsgericht Bielefeld. Eine abstrakte Gefahr könne die Kündigung nicht rechtfertigen. Eine bestehende Infektionsgefahr sei nur dann ein Grund für eine fristlose Kündigung, wenn durch die Nebentätigkeit eine konkrete Gefahr für die Infektion mit dem Coronavirus entstehen würde. Diese Gefahr müsse erheblich über das allgemeine Lebens- und Infektionsrisiko hinausgehen. Da die Mitarbeiter bei Tönnies aber grundsätzlich mit Schutzausrüstung gearbeitet hätten und dies in einem Bereich und zu einer Zeit, wo es zu keinem Kontakt mit Produktionsmitarbeitern kam, habe keine konkrete erhöhte Infektionsgefahr bestanden.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Hinweis: Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 1.12.2020, Az: 1 Ca 2701/20, 2 Ca 1742/20


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