Urlaubsabgeltung - Ausschlussfristen gewinnen an Bedeutung
Haufe Online-Redaktion: Herr von Alvensleben, was bedeutet das Urteil für die Personalpraxis?
Volker von Alvensleben: In dem vor dem BAG verhandelten Fall, zu dem die Entscheidungsgründe bislang nicht veröffentlicht worden sind, hatte ein Arbeitnehmer erst im Januar 2009 die Abgeltung von Resturlaubsansprüchen verlangt, obwohl sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung bereits zum 31. Juli 2008 endete. Das BAG entschied, dass der gesetzliche Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch nicht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz unterfällt. Für die Praxis bedeutet dies, dass Arbeitnehmer auch lange Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltungsansprüche geltend machen können, sofern ihre Erledigung nicht zwischen den Arbeitsvertragsparteien oder tariflichen Ausschlussklauseln geregelt worden ist.
Haufe Online-Redaktion: Profitieren also vor allem Arbeitnehmer von dem Urteil?
von Alvensleben: Zunächst ist es ein Vorteil für Arbeitnehmer, da sich die Verjährung des Abgeltungsanspruchs nach allgemeinen Regeln richtet, das heißt, die dreijährige Verjährungsfrist Anwendung findet. Andererseits besteht jetzt Klarheit darüber, dass der Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch von arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen erfasst wird. Diese sind je nach Ausgestaltung erheblich kürzer als die Regelverjährungszeit. Das ist letztlich ein Vorteil für Arbeitgeber, wenn solche Ausschlussfristen denn geregelt sind. Daher gewinnen arbeitsvertragliche Ausschlussfristen noch mehr an Bedeutung.
Haufe Online-Redaktion: Gibt es noch andere Konsequenzen für Arbeitgeber?
von Alvensleben: Früher konnte der Abgeltungsanspruch als Ersatz des höchstpersönlichen Urlaubsanspruchs nicht auf die Erben übergehen, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstirbt. Dies galt auch, wenn er den Abgeltungsanspruch vergeblich geltend gemacht hat. Nach der neuen Rechtsprechung, die den Abgeltungsanspruch nur noch als reinen Geldanspruch behandelt, wird dieser im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch auf die Erben übergehen.
Zu beachten ist ferner, dass der Abgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch an keine weitere Voraussetzung als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geknüpft ist. Entgegen der früheren Rechtslage wird es gerade nicht mehr darauf ankommen, ob bei hypothetischer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können. Dies war bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht der Fall.
Der Abgeltungsanspruch wird ferner, solange er denn besteht, vom Arbeitnehmer verpfändet oder an andere abgetreten werden können. Auch eine Aufrechnung gegen oder mit dem Abgeltungsanspruch wird zulässig sein.
Haufe Online-Redaktion: Gilt eine Art Vertrauensschutz für Altfälle?
von Alvensleben: Die Pressemitteilung enthält keine Hinweise darauf, dass der Senat einen Vertrauensschutz zugunsten der Arbeitgeber erwogen hat. Seit der Umsetzungsentscheidung des BAG vom 24. März 2009 zur neueren Urlaubsrechtsprechung des EuGH wurde in der juristischen Literatur die Ansicht vertreten, das BAG habe die Surrogatstheorie aufgegeben. Selbst wenn kein Rechtsprechungswandel vollzogen worden war, so hatte er sich jedenfalls angekündigt. Das BAG selbst hat sich seit 2009 dazu nicht mehr geäußert. Dass man sich mit Erfolg auf einen Vertrauenstatbestand berufen kann, ist daher unwahrscheinlich.
Man wird aber die Erkenntnisse aus der neuen Rechtsprechung auch auf die Abgeltungsansprüche anwenden müssen, die im Jahr 2009 entstanden sind. Im Einzelfall könnten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Jahr 2009 beendet worden ist, somit in diesem Jahr noch Abgeltungsansprüche geltend machen, sofern diese nicht wegen einer Ausschlussfrist erloschen sind. Diesen Anspruch könnten gegebenenfalls auch deren Erben geltend machen.
Volker von Alvensleben ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei DLA Piper.
Das Interview führte Michael Miller.
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