Urlaubsverfall: Arbeitgeber hat Hinweispflicht

Urlaub verfällt nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auf drohenden Urlaubsverfall hingewiesen hat. Dies hat das LAG Köln in richtlinienkonformer Auslegung entschieden. Dabei hat das Gericht klargestellt: Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst auch Urlaub aus vergangenen Jahren.

Urlaub verfällt nicht mehr automatisch. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im November 2018 kann laut BAG bei einer richtlinienkonformen Auslegung der deutschen Urlaubsvorschriften ein Urlaubsverfall in der Regel nur noch eintreten, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen und daraufhin gewiesen hat, das er anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Diese Initiativpflicht des Arbeitgebers hat das LAG Köln in einer aktuellen Entscheidung genauer bestimmt: Sie umfasst demnach auch Urlaub aus vergangenen Jahren.

Regelung im Arbeitsvertrag: Arbeitszeitverkürzung statt Jahresurlaub

Im vorliegenden Fall forderte ein langjähriger Arbeitnehmer nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses vor Gericht finanziellen Ausgleich für Urlaub, der ihm nicht gewährt worden sei. Er war als Bote von September 2012 bis März 2017 bei einer Apotheke beschäftigt, für die er Medikamente ausfuhr. Im Arbeitsvertrag vereinbart war eine Regelung, wonach der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub "auf eigenen Wunsch in Form einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung" nimmt. Statt der bezahlten 30 Stunden pro Woche habe er nur 27,5 Stunden zu arbeiten.

Urlaubsabgeltung für nicht gewährten Urlaub

Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses verlangte der Bote vom Arbeitgeber darüber hinaus keinen Urlaub. Nachdem das Arbeitsverhältnis endete, forderte er Urlaubsabgeltung für nicht gewährten Urlaub aus den Jahren 2014, 2015 und 2016. Vor Gericht machte er geltend, dass der Arbeitgeber ihm im laufenden Arbeitsverhältnis gesetzeswidrig keinen Urlaub gewährt habe. Die Regelung im Arbeitsvertrag sei ihm so vorgegeben worden und verstoße seiner Ansicht nach gegen das Bundesurlaubsgesetz. Er habe zudem regelmäßig 30 Stunden die Woche gearbeitet. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass die Regelung einvernehmlich erfolgt sei, zudem sei der Urlaub verfallen, da der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt habe.

LAG Köln: Wöchentliche Arbeitszeitverkürzung ist kein Erholungsurlaub

Mit seiner Klage scheiterte der Bote in erster Instanz noch. Die Berufung vor dem LAG Köln war erfolgreich. Aus Sicht der Richter stellt eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung keinen Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes dar. Die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers seien somit durch sein wöchentlich geringeres Arbeitspensum nicht erfüllt worden.

Kein Urlaubsverfall ohne vorherige Aufforderung durch den Arbeitgeber

Aus Sicht des Gerichts waren die Urlaubsansprüche auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Das Gericht bezog sich in der Begründung insofern auf die Vorgaben des EuGH sowie die daraufhin erfolgte BAG Entscheidung: Der Arbeitgeber habe demnach die Pflicht, den Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr konkret aufzufordern, den Urlaub zu nehmen und auf den drohenden Urlaubsverfall hinzuweisen. Die Beweislast trage der Arbeitgeber: Könne er nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, verstoße das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen EU-rechtliche Vorgaben, betonte das Gericht. Die Obliegenheit des Arbeitgebers bezieht sich nach Auffassung der Richter auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.

Arbeitgeber verpasste Hinweis auf Urlaubsverfall

Im konkreten Fall entschied das Gericht, dass der Arbeitgeber seinen Obliegenheiten für die Jahre 2014, 2015 und 2016 nicht nachgekommen sei. Im Gegenteil sei durch die konkrete Vertragsgestaltung der Eindruck entstanden, dass über eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung hinaus kein Urlaubsanspruch besteht. 

Hinweis: LAG Köln, Urteil vom 09.04.2019, Az: 4 Sa 242/18


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