Kürzlich war ich beim Arzt – und nur fürs Protokoll: Ich lebe auf einem wunderschönen ländlich gelegenen Bauernhof zwischen Dresden und Meißen – und fragte meinen Landarzt, wie es denn klappt mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?! Die bis dahin sehr angenehme Atmosphäre zwischen uns war schlagartig verändert. Aufbrausend und kopfschüttelnd erhielt ich in reinem Sächsisch die Antwort "Des mach isch nisch, bei mir gibt's Papier!" Kaum traute ich mich zu fragen; warum nicht, da stürmte es aus ihm heraus, ich bin 63 Jahre alt und suche dringend – zunehmend erfolglos - einen Nachfolger für die Praxis; soll also jetzt 15.000 Euro für ein neues Softwaresystem bezahlen, welches sich für mich nicht mehr amortisieren wird – "Des mach isch nisch!" – Oha, dachte ich.
Ist die Pilotphase nicht eigentlich beendet und seit Januar 2023 müssen Unternehmen die eAU digital abrufen? Welches für die Arbeitgeber bedeutet, dass sie die Meldung nur noch direkt von der Krankenkasse und nicht mehr von Ihren Mitarbeitenden erhalten und dies selbstverständlich bedeutet, dass Praxen die AU elektronisch übermitteln.
Wie sieht es bei Ihnen aus – klappt es mit der eAU?
Grundsätzlich – so ist es überall zu lesen - ist das Verfahren doch recht einfach und schnell erklärt; denn auch in Zukunft müssen Arbeitnehmende nach § 5 Abs. 1 EntgFG die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich ihrem Arbeitgeber mitteilen. Ab Januar 2023 sind gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch nicht mehr dazu verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber weiterzuleiten. Stattdessen sind die Arbeitgeber aufgefordert, die eAU direkt bei der Krankenkasse über ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungs-Programm abzurufen und dann sollen Sie zeitnah folgende Daten erhalten:
- Name der bzw. des Beschäftigten
- Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit
- Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
- Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung
- Angaben zu einem möglichen Unfall (auch Arbeitsunfall) oder zu dessen Folgen
Die eAU ist noch nicht in der Praxis angekommen
Soweit zumindest die Theorie. Genießen wir also einen Blick in die so häufig vergessene Praxis: So berichtete mir kürzlich die Leiterin einer großen HR-Abteilung Folgendes:
"Wir haben festgestellt, dass es bestimmte Fallkonstellationen gibt, die uns im Hinblick auf die elektronische Übermittlung verunsichern. Viele Arztpraxen übermitteln offenbar weiterhin nicht elektronisch, sondern stellen den gelben Schein aus und der eine Patient übergibt diesen an den Arbeitgeber – der andere Patient hingegen wieder nicht – beide Patienten reichen nichts bei der Krankenkasse ein. Andere Praxen hingegen übermitteln zwar elektronisch, stellen dem Patienten jedoch einen gelben Schein aus, der uns dann von einigen Mitarbeitenden eingereicht wird. Kurzum liebe Frau Droste-Klempp: Wir befinden uns in einem buchstäblichen "eAU-Chaos". Was sollen wir tun?"
Nun, der einzige Lösungsansatz ist wohl Geduld – gibt es nicht das schöne deutsche Sprichwort "Alles kommt zu dem von selbst, der warten kann“.
Die Digitalisierung fällt Deutschland nach wie vor schwer
Aber im Ernst – in der Praxis stellen sich Unternehmen aktuell die Frage, ob sie etwas verpasst haben, ob für einige Praxen Ausnahmeregelungen eingeführt wurden und Arbeitgeber Arbeitnehmende ggf. darauf hinweisen müssten oder ist gar ein erneuter Übergangszeitraum verabschiedet worden? Das sind Fragen, auf die es aktuell nur folgende Antworten gibt:
- Nein, keine Ausnahmeregelungen für einige Praxen!
- Nein, kein erneuter Übergangszeitraum!
So sehr wir also meinen Landarzt verstehen können, der aus finanzieller Sicht ein solches für die eAU notwendige Softwaresystem nicht erwerben möchte; so sehr ist es doch ein gesetzliches Verfahren, welches eine sehr lange Vorlaufzeit hatte und den eindeutigen Vorteil bringt, dass wichtige Daten digital zur Verfügung stehen und Papiermassen eingespart werden; so sehr stellen wir uns erneut die Frage, warum Deutschland sich mit der Digitalisierung so schwer tut und wir weiterhin beim europäischen Vergleich der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2022 mit einem Indexwert von 52,9 nur im Mittelfeld unter den EU-Ländern liegen.
Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.
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