Automobilindustrie im Wandel: Die Berater-Challenge

Unternehmensberatungen sind gefragten Experten in Transformationsprozessen. Ingo Weller, BWL-Professor an der LMU München, hat fünf Beraterkonzepte geprüft. Statt für ein Ranking entschied er sich für eine Synthese. Denn trotz Gemeinsamkeiten ist es nicht einfach, die unterschiedlichen Herangehensweisen zu vergleichen.

Ein Automobilzulieferer, 11.000 Mitarbeiter weltweit, schnell gewachsen, momentan gesund, in der Zukunft aber unter Druck. Mit anderen Worten: Der fiktive Case des Personalmagazins – die WindsOfChange Gruppe (kurz: WOC) – charakterisiert einen typischen Fall der gegenwärtigen deutschen Industrielandschaft. Gleichzeitig beschreibt er ein geradezu universelles Szenario: Die organisationskulturelle und digitale Transformation. Wie soll sich ein traditionell geführtes und strukturiertes Unternehmen in Zeiten der Globalisierung und disruptiver Veränderungen zukunftsfähig positionieren?

Unternehmensberater als Experten gefragt

Organisationen verändern sich permanent, zukunftsorientiert und strategisch gesteuert ebenso wie reaktiv und von außen getrieben; und in ihrem Sozialgefüge genauso wie in ihren technischen und technologischen Möglichkeiten. Während Wandel unvermeidlich ist, ist er meistens schlechter plan- und steuerbar als gedacht, nicht zuletzt, weil viele Akteure – innen und außen, oben und unten – an einem Strang ziehen müssen. Beratungsunternehmen spielen daher eine wichtige Rolle in Transformationsprozessen: Sie besitzen Expertise, die unternehmensintern oft fehlt, fungieren als Wissensbroker im Markt der Managementmethoden und -informationen, leisten Vergleiche und Benchmarks und verleihen strategischen Aktivitäten Gewicht und Legitimation. Das oft gegebene und/oder erhoffte Versprechen: Einfache Lösungen für komplexe Probleme.

Der Auftrag: Lösungsskizzen statt Detailpläne

Wir, also die Redaktion des Personalmagazins und ich, wollten sehen, wie fünf teils junge, teils etablierte Beratungsunternehmen an unseren Case herangehen würden. Die Aufgabe war für alle Beteiligten nicht einfach. Uns war klar, dass der Fall in seiner Ausarbeitung unvollständig bleiben würde: Als Modell eines realen Unternehmens kann er dieses nicht in seiner Komplexität abbilden. Gefragt waren also grundsätzliche Herangehensweisen und Lösungsskizzen anstelle detaillierter Empfehlungen. Konkret haben wir die Beratungen darum gebeten, eine Entscheidungsvorlage für die Geschäftsführung der WOC-Gruppe zu erarbeiten. In dieser sollten sie die geschilderte Situation aus Beratungssicht analysieren, den empfohlenen Beratungsansatz skizzieren, Lösungsvorschläge andeuten und den Zeitaufwand, insbesondere die benötigten Beratertage, schätzen. Herausgekommen ist ein kreativer Strauß an Vorschlägen. Was folgt, ist der Versuch einer Synthese.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsansätze

Alle eingereichten Beratungsansätze heben hervor, dass unser Beispielunternehmen, die WOC-Gruppe, ein komplexes – sprich: systemisches – Problem zu lösen hat. Auf der einen Seite stehen Unwägbarkeiten der Unternehmensumwelt, wie technologische Entwicklungssprünge, und Kundenerfordernisse, beispielsweise eine hohe Preissensitivität. Auf der anderen Seite stehen interne Herausforderungen, wie uneinheitliche HR-Prozesse und Führungsstile sowie die mittel- bis langfristig zu denkende Standortfrage. Entsprechend empfehlen alle Beratungen ein integriertes Vorgehen, das im Kern an der übergeordneten Unternehmensstrategie ansetzen sollte.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten zeigen sich auch interessante Unterschiede: Bei Detecon spielen neben der kulturellen, digitalen und organisatorischen Transformation eine neue IT-Strategie sowie die Restrukturierung der Overhead-Funktionen eine Rolle. HR Pioneers und Mercer-Promerit bauen auf agile Methoden und Design Thinking. Haufe setzt auf ein integriertes Organisations- und Führungsmodell, das zuerst in einem Pilotbereich der WOC-Gruppe ausgerollt werden sollte. Und EY legt mit dem "Future of Work Now"-Rahmenwerk einen klassisch strukturierten und breit angelegten Beratungsansatz vor.


Dieser Artikel stammt aus dem Personalmagazin 05/2019 mit dem Schwerpunkt "Berater-Challenge". Hier können Sie sowohl die komplette Auswertung von Professor Ingo Weller, der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansätze herausgearbeitet hat, lesen, als auch in Kurzform die eingereichten Konzepte der Berater, die einen Blick auf deren Handschrift erlauben. Lesen Sie das gesamte Magazin auch in der Personalmagazin-App.