Über den wirtschaftlichen Nutzen der Personalarbeit


Der wirtschaftliche Nutzen der Personalarbeit

"Personal kann jeder"? Das kommt auf die Ansprüche an - und auf den Geldbeutel, schreibt unser Kolumnist Uwe P. Kanning. Was Personalerinnen und Personaler können sollten und wo sie öfter eine große Klappe bräuchten, erfahren Sie in seiner 100. Kolumne für haufe.de/personal.

Menschen, die in Personalabteilungen arbeiten, klagen oft darüber, dass ihre Arbeit im Unternehmen keine große Wertschätzung erfährt. In vielen Unternehmen ist der Glaube "Personal kann jeder" weit verbreitet. Und so wundert es auch nicht, dass zuerst an die Personalabteilung gedacht wird, wenn es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht und Personal abgebaut werden soll.

Große Klappe vor nötiger Expertise und Know-how

Die Gründe hierfür sind sicherlich vielfältig. Ein wichtiger Grund mag darin liegen, dass sich Personaler allzu häufig zu einer reinen Serviceabteilung degradieren lassen. Die Fachabteilung gibt vor, wann und wie ein Auswahlverfahren ablaufen soll. Die Fachvorgesetzten entscheiden, wer befördert wird. Alle sprechen mit, wenn es darum geht, passende HR-Maßnahmen auszuwählen. Leider dürfte die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in den Fachabteilungen Leute sitzen, die über eine nennenswerte Expertise in diesen Feldern verfügen, nur knapp über null liegen. Aber das scheint nicht so wichtig zu sein. Eine selbstsicher vorgetragene Meinung und unreflektierte Erfahrungen zählen in vielen Unternehmen immer noch viel mehr als fundiertes Know-how.

Vielleicht würde sich zumindest hier und dort etwas ändern, wenn Personalerinnen und Personaler die wirtschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit offensiv verdeutlichen, und gleichzeitig auch das eigene Handeln danach ausrichten würden. Allzu schwer ist beides eigentlich nicht.

Milliarden in Mitarbeitende investiert - nach dem Zufallsprinzip

Die Lohnkosten für die in deutschen Unternehmen neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrug im Jahre 2021 mehr als 200 Milliarden Euro – und zwar nur bezogen auf das erste Jahr der Anstellung. Auf der Basis der eingesetzten Auswahlmethoden – deren Qualität eigentlich in der Verantwortung der Personalabteilung liegen sollte – werden mithin gewaltige Summen investiert. Die Frage ist allerdings: Wie gut abgesichert sind diese Investitionen?

Gehen wir einmal davon aus, dass die meisten Unternehmen Bewerbungsunterlagen nach den üblichen Kriterien der Personalauswahlfolklore sichten (Tippfehler und Selbstdarstellung im Anschreiben, Lücken im Lebenslauf, Charakterisierung in Arbeitszeugnissen etc.), so dürfte dabei kaum mehr als eine zehnprozentige Prognosegüte herausspringen. Anschließend folgt ein gering strukturiertes Interview, das ausschließlich auf die vermeintliche Menschenkenntnis der interviewenden Person setzt. Hiermit lässt sich im Durchschnitt auch nicht mehr als 10 Prozent der späteren beruflichen Leistung prognostizieren.

Am Ende des Tages werden also pro Jahr nur für die Lohnkosten des ersten Jahres der Beschäftigung mehr als 150 Milliarden nach dem Zufallsprinzip investiert. – Hm, das ist eine Zahl, die man der Geschäftsführung vielleicht besser nicht mitteilen sollte. Es sei denn, man wüsste einen Weg, die Prognosegüte zu erhöhen. Nichts leichter als das. Eigentlich müsste man hierzu nur einen Bruchteil der jahrzehntelangen Forschung zu Personalauswahlmethoden kennen und beherzigen. Eigentlich.

Bei Weiterbildungsmaßnahmen: Effektivität vor Spaß

Im Jahr 2020 wurden in der deutschen Wirtschaft mehr als 41 Milliarden Euro für Weiterbildungsmaßnahmen ausgegeben. Schauen wir uns die Effektstärken klassischer Methoden wie Führungskräftetrainings, Coaching oder Mentoring an, so dürfen wir auch hier grob geschätzt von einem zehnprozentigen Nutzen ausgehen. Auch wenn die Effektivität fachlicher Weiterbildungen sicherlich deutlich höher ausfallen wird, zeichnet sich in der Personalentwicklung ein Optimierungspotential im zweistelligen Milliardenbereich ab.

Im einfachsten Fall geht es darum, wirkungslose Methoden einfach zu streichen und Managerinnen und Managern nicht all das zu bezahlen, was Spaß macht, aber keinen Nutzen in sich trägt (Outdoor-Trainings, Führungskräftetrainings mit Tieren, NLP, Organisationsausstellungen, esoterische Spielereien etc.). Ein wenig mühsamer wäre es, sich im Detail mit Forschungsergebnissen zu Führungskräftetrainings, Coaching oder Mentoring auseinanderzusetzen. Insbesondere bei Führungskräftetrainings ließe sich die Effektivität eigentlich sehr leicht verdoppeln. Eigentlich. Solange in weiten Teilen des Personalwesens Forschungsergebnisse beharrlich ignoriert werden, wird sich nichts ändern. – Und ehrlich gesagt, gilt dann nicht auch tatsächlich der Spruch "Personal kann jeder"?


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.


Schlagworte zum Thema:  Finanzen, Personalauswahl, Personalarbeit