Seit einigen Jahren gehört "Diversity" zu den Anglizismen, die nicht nur unseren alltäglichen Wortschatz bereichern, sondern auch viele Personalverantwortliche umtreiben. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Viele mittelständische Unternehmen sind zunehmend international unterwegs und müssen sich daher bezogen auf Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter in ihren ausländischen Dependancen mit den Problemen und Chancen der interkulturellen Vielfalt auseinandersetzen.
Schon heute hat die europäische Integration die Internationalisierung des Arbeitsmarktes in Deutschland beflügelt. Der vieldiskutierte demografische Wandel wird diesen Prozess noch weiter vorantreiben. In dem Maß, in dem Unternehmen in Deutschland ihren Bedarf an Fachkräften aus dem eigenen Land nicht stillen können, wird man verstärkt Arbeitnehmer aus dem Ausland anwerben müssen.
Diversity: Mehr als kulturelle Vielfalt
Diversity bezieht sich jedoch keineswegs nur auf die interkulturelle Vielfalt. In Zukunft werden auch mehr ältere Menschen im aktiven Berufsleben stehen, Frauen in klassischen Männerberufen und Männer in klassischen Frauenberufen aktiv werden. Die Arbeitswelt wird also bunter.
Nun stellt sich die Frage, ob hierin eher eine Chance oder ein Problem zu sehen ist. Aus gesellschaftspolitischer Sicht werden viele die Entwicklung spontan begrüßen. Vielfalt bringt mehr Kreativität und spannendere zwischenmenschliche Begegnungen in das Berufsleben. Hier verhält es sich ähnlich wie mit der Einführung der Gruppenarbeit in den 80er-Jahren, die eher von Werten und Einstellungen und weniger von der Reflexion empirischer Befunde getrieben wurde.
Neuere Studien, die sich mit den Konsequenzen von Diversity beschäftigen, kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Effekt im Durchschnitt bei plus/minus Null liegt. Je nach Art der Diversity und Kontextbedingungen lassen sich leicht positive oder leicht negative Effekte nachweisen. So geht zum Beispiel die Vielfalt der Ausbildungshintergründe mit leichten Verbesserungen der Gruppenleistung einher (1,7 Prozent). Gleiches gilt für die Geschlechtervielfalt in Arbeitsfeldern, die traditionell nicht von Männern dominiert werden (1,21 Prozent). Minimal nachteilig ist Geschlechtervielfalt hingegen in typischen Männerdomänen (- 0,8 Prozent). Ähnliches gilt für die Altersdiversität (- 0,36 Prozent).
Aus wirtschaftspsychologischer Perspektive überraschen diese Ergebnisse nicht. Diversity ist nur ein neuer Begriff für ein im Kern altes Phänomen, nämlich die Heterogenität von Arbeitsgruppen, die man schon vor Jahrzehnten erforscht hat. Menschen mit unterschiedlichen Bildungs- und Sozialisierungshintergründen, Interessen, Werthaltungen, Gewohnheiten et cetera müssen in heterogenen Arbeitsgruppen gemeinsam an einem Strang ziehen, um ein Arbeitsergebnis zu erzielen. Dabei sind sowohl positive als auch negative Effekt zu verzeichnen.
Die positiven Effekte heterogener Gruppen:
- Heterogene Arbeitsgruppen sind im Vorteil, wenn es darum geht, ein wichtiges oder komplexes Problem möglichst differenziert zu analysieren. Dies gilt beispielsweise für grundlegende Investitionsentscheidungen, bei denen in jedem Fall fehlerhafte Einschätzungen zu vermeiden sind.
- Heterogene Gruppen neigen zu weniger extremen Entscheidungen.
Die negativen Effekte heterogener Gruppen:
- Heterogene Arbeitgruppen sind langsamer, wenn im Team eine Konsensentscheidung gefällt werden muss.
- Der zwischenmenschliche Zusammenhalt ist meist geringer, da die Gruppenmitglieder einander unähnlicher sind.
- Aufgrund der geringeren Bindung zwischen den Teammitgliedern steigt die Wahrscheinlichkeit für Konflikte sowie die Bereitschaft, die Gruppe zu verlassen.
Erfolge im Diversity Management entstehen in der Personalentwicklung
Will man Diversity zum Erfolg führen, kommt es daher auf ein gezieltes Management an. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: Platzierung und Personalentwicklung.
Zum einen müsste man diversifizierte Gruppen aufgabenspezifisch einsetzen, also gerade dann Gruppen heterogen zusammensetzen, wenn Heterogenität zu besseren Arbeitsergebnissen führt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es weniger um Geschwindigkeit, als um differenzierte Reflexionen geht. Derartige Gruppen sollten nicht zu lange in gleichen Konstellationen zusammenarbeiten, um eine allzu starke wechselseitige Annäherung der Teammitglieder zu verhindern.
Zum anderen müsste man durch Teambuilding-Maßnahmen Heterogenität dort reduzieren, wo Arbeitsaufgaben schnell und reibungslos zu erledigen sind. Hierbei geht es vor allem darum, Vorurteile abzubauen und die Kollegen als Individuen und nicht primär als Vertreter einer bestimmten Subgruppe (Profession, Geschlecht, Kultur und andere) wahrzunehmen. Gelingt dieser Prozess, so spricht alles dafür ein Team dauerhaft in gleicher Besetzung arbeiten zu lassen.
Beide Strategien setzen voraus, dass man sich zuvor in Bedarfsanalysen mit den Anforderungen der Arbeitsaufgaben auseinandersetzt. Jenseits aller gesellschaftspolitischer Ideologie trägt man durch ein gezieltes Vorgehen somit im günstigsten Fall dazu bei, dass Diversity unter dem Strich kein Nullsummenspiel bleibt, sondern tatsächlich für alle Beteiligten zum Erfolg wird.
Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen & Personalentwicklung.