Wenn das Flusspferd immer recht hat


Leadership: Führen und Folgen in der Gruppendiskussion

Führen und Folgen sind die Grundlagen gelingender Zusammenarbeit – und das zeigt sich nirgendwo so deutlich wie bei der Gruppendiskussion, meint unser Kolumnist Randolf Jessl. Er beleuchtet dieses Mal die Frage, wie man in Diskussionen konstruktiv folgt, führt und entscheidet. 

Dass sich Führung oft im Kleinen zeigt, habe ich an dieser Stelle schon mehrere Male thematisiert. Heute will ich diesen Gedanken auf die für mich wichtigste Situation anwenden, in der sich Führen und Folgen im Arbeitsalltag beweisen: die Gruppendiskussion. Nirgends sonst ist das zeitgeistige Phänomen Augenhöhe so wertvoll wie in der Diskussion. Diese dient – schon dem Wortsinn nach – der unvoreingenommenen Prüfung und Abwägung von Meinungen, Argumenten und Fakten, um gerade im Unternehmenskontext zu guten Entscheidungen zu kommen.

Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings herrscht oft noch "Hippo". So bezeichnen Engländer das Flusspferd und Organisationskenner den Reflex, dass die bestbezahlte Person im Raum in der Regel die ausschlaggebenden Impulse gibt (Hippo steht hier für "Highest Paid Person's Opinion").

Woran Gruppendiskussionen scheitern

Schuld an dieser Verzerrung des Prinzips Augenhöhe kann auch der dominante Chief Whatever sein, der seine Sicht mit Macht und Raffinesse durchsetzt. Oft sind es aber die gelernten Verhaltensmuster derjenigen, die Amtsautorität (Posten, Titel, Rangstufe) mit Sachautorität (besseres Wissen und mehr Erfahrung im Thema) verwechseln, vorauseilenden Gehorsam praktizieren und eigene Meinungen und Argumente lieber zurückhalten.

Doch es gibt weitere Gründe, warum Gruppendiskussionen ihren Zweck manchmal nicht erfüllen. Einer davon ist die sogenannte "Schweigespirale", wie sie die renommierte Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann so treffend genannt hat. Die Schweigespirale beruht auf der Tendenz der Menschen, sich in Gesprächen der Mehrheitsmeinung anzuschließen. Das führt dazu, dass diejenigen, die der Mehrheitsmeinung zuneigen, in der Diskussion immer lauter werden, während diejenigen, die diese Meinung nicht teilen, lieber schweigen. Kein fruchtbarer Boden für gute Entscheidungen.

Was braucht es also, damit in Gruppen alle Ideen, Fakten sowie Argumente auf den Tisch kommen und gute Entscheidungen getroffen werden? Antwort: Gesprächs-Führung und die Bereitschaft, anderen in dem, was sie sagen und gegebenenfalls auch entscheiden, zu folgen.

Wie man in Diskussionen konstruktiv folgt

In Diskussionen zu folgen, umfasst erst einmal eherne Grundsätze wie zuhören und ausreden lassen, nachvollziehen, was andere sagen, bevor man das Gesagte an der eigenen Meinung misst, einfühlen in das, was den anderen umtreibt. Erst auf dieser Basis können Menschen wirklich verstehen, was andere meinen und wollen.

Zu folgen heißt dann aber auch, Entscheidungen, die die Gruppe nach reiflicher und ausgewogener Diskussion trifft, zu akzeptieren und mitzutragen. Selbst wenn man die eigene Sicht auf die Dinge nicht oder nur zum Teil in ihr wiederfindet.

Wie man in Diskussionen konstruktiv führt

In Diskussionen in Führung zu gehen bedeutet wiederum: klar, offen und einfühlsam zu argumentieren, wenn man an der Reihe ist. Immer mit dem Ziel, mit Argumenten und in der Sache zu überzeugen, anstatt eine vorgefasste Meinung oder Absicht mit Macht, Tricks und Kniffen durchzusetzen. Der Grundsatz, andere zu überzeugen statt zu überreden, bedingt, dass jeder, der überzeugen will, auch bereit sein muss, sich überzeugen zu lassen.

Alles, was man für Überzeugungsstrategien können und zu schädlichen Manipulationstechniken wissen muss, steht übrigens in dem sehr hilfreichen Ratgeber "Manipulationstechniken" der Münchner Berater und Logikspezialisten Andreas Edmüller und Thomas Wilhelm.

Wie man nach Diskussionen konstruktiv entscheidet

Schließlich heißt in Diskussionen zu führen auch, eine Entscheidung herbeizuführen. Das kann situativ geschehen, indem jemand in die Rolle des Moderators schlüpft, der genau darauf drängt und den Entscheidungsprozess lenkt. Das kann aber auch durch einen Moderator geschehen, der im Vorhinein dazu bestimmt wurde.

Damit Entscheidungen akzeptiert werden, sollten sie nach festgelegten und in der Gruppe akzeptierten Spielregeln getroffen werden. So zum Beipiel nach dem Mehrheitsentscheid oder auch nach dem Grundsatz, dass alles akzeptiert ist, wogegen es keine klaren Einwände gibt (Konsent). Sogar der Einzelentscheid der Person, der die Gruppe nach ausgiebiger Diskussion dank ihrer Expertise und Erfahrung die beste Entscheidung zutraut, ergibt oft Sinn. Es muss nur klar sein, wie entschieden wird und was genau entschieden wurde.

Wie das Ganze in Fleisch und Blut übergeht

Damit ist die Gruppendiskussion der beste Trainingsplatz fürs Führen und Folgen in verteilten Rollen und nach funktionierenden Regeln. Anlässe zu üben bieten sich jeden Tag. Wir sollten sie bewusst dazu benutzen.


Randolf Jessl ist freier Journalist und Inhaber der Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er unterstützt Menschen in Organisationen und auf Märkten, dank ihres Wissens und ihrer Ideen in Führung zu gehen.

Schlagworte zum Thema:  Leadership, Mitarbeiterführung