„Virtuell in der Ausbildungswerkstatt umschauen“
Haufe Online-Redaktion: Herr Erb, 360-Grad-Videos waren, als Sie diese erstmals für das Azubimarketing einsetzten, im Unternehmensumfeld noch gar nicht bekannt. Wie schwierig war es für Sie, dieses Thema im Unternehmen umzusetzen?
Oliver Erb: In der Energiebranche ist vieles im Wandel. Aktuell herrscht eine starke Aufbruchsstimmung und Innovationen werden gefördert. Dies geschieht unter anderem sehr gezielt in unserem Innovationscampus, bei dem Mitarbeiter neben dem Tagesgeschäft an neuen Ideen arbeiten können. Im Employer Branding hatten wir allerdings schon immer große Lust und gewisse Freiheiten, etwas Neues auszuprobieren. So haben wir mit unserem Karriereblog konzernweit die ersten Schritte in Social Media gestartet. Bei den 360-Grad-Videos war es jedoch etwas schwerer, die Idee intern zu verkaufen, denn im Gegensatz zu Blogs gab es damals bei Virtual Reality noch keine Referenzen anderer Unternehmen. Hier hatte ich zum Glück eine Führungskraft, die offen war für neue Ideen – wir haben dann also einfach mal vorgelegt und die Kollegen so überzeugen können.
Haufe Online-Redaktion: Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee?
Erb: Ein Auslöser war, dass ich vor zwei Jahren das Ausbildungsmarketing übernommen hatte und überlegte, welche Maßnahmen wir weiterführen sollten und mit welcher neuen Maßnahme wir bei der Zielgruppe der Schüler für Aufmerksamkeit sorgen könnten. Ich war auf der Suche nach einer ganz neuen Idee. Gleichzeitig habe ich das Thema 360-Grad-Videos/Virtual Reality, das aus der Ecke der Computerspiele kommt, immer verfolgt. Mich haben die technischen Möglichkeiten interessiert – und dann fragte ich mich, warum wir diese Technik nicht für das Azubimarketing nutzen könnten.
Haufe Online-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von 360-Grad-Videos für das Azubimarketing?
Erb: Die Schüler sind die Zielgruppe mit den unklarsten Vorstellungen vom Berufsleben. Studierende haben oft schon erste Praktika hinter sich und einige Erfahrungen gesammelt. Die Berufserfahrenen wissen sowieso, wie ein Arbeitsplatz aussieht. Schüler haben meistens noch keine richtig klaren Vorstellungen von den verschiedenen Berufen, deshalb war die grundlegende Überlegung: Wie können wir Schülern ein konkretes Bild vermitteln, zum Beispiel wie eine Ausbildungswerkstatt aussieht? Hierfür trifft die 360-Grad-Technik, bei der sich der Betrachter virtuell in der Ausbildungswerkstatt umschaut, genau unsere Anforderungen. Wir vermitteln Schülern greifbare Eindrücke, indem sie sich sozusagen mitten in den Raum reinstellen und etwas vom Arbeitsalltag erleben können.
Haufe Online-Redaktion: Welche Hürden hatten Sie bei der technischen Umsetzung zu bewältigen?
Erb: Die grundlegende Überlegung war, ob wir das selbst umsetzen oder einen Dienstleister beauftragen. Da wir ein relativ knappes Budget für das Thema hatten und es damals nur wenige Dienstleister gab, haben wir uns entschieden, die 360-Grad-Videos selbst zu produzieren. Vor zwei Jahren waren gerade die ersten 360-Grad-Kameras auf den Markt gekommen, die bezahlbar waren. Allerdings war das qualitativ noch nicht das, was wir uns erwartet hatten. Eine geringe Auflösung fällt bei 360-Grad-Videos noch stärker auf als bei anderen Videos, weil durch die Rundum-Sicht viel mehr an Bild gezeigt wird. Die neuen Kameramodelle haben inzwischen eine viel bessere Auflösung. Nicht nur bei der Technik, sondern auch bei der Planung eines Virtual Reality-Films muss man gänzlich anders vorgehen als bei einem „normalen“ Video. Denn bei 360-Grad-Videos bestimmt der Betrachter den Bildwinkel. Vor dem Dreh muss ich also prüfen, ob vielleicht vertrauliche Informationen an der Pinnwand hängen, die niemand sehen darf. Außerdem muss ich einen Anreiz bieten, dass sich jemand auch tatsächlich dort umsehen will. Es sollte also in allen Richtungen etwas zu entdecken geben.
Haufe Online-Redaktion: Welche Anreize bieten Sie im Video?
Erb: In den allerersten Videos haben wir uns tatsächlich etwas schwer damit getan. Mittlerweile sehen wir zu, dass in allen Ecken etwas passiert. Wir haben beispielsweise ein Video gedreht, in dem Azubis am Computer sitzen und mit anderen Azubis sprechen. Und es wird eine Maschine mit beweglichen Teilen gezeigt. Es gibt also einige Dinge, die ich als Betrachter aktiv nachverfolgen muss, um sie ganz zu sehen.
Haufe Online-Redaktion: Wie werden Ihre 360-Grad-Videos von der Schülerzielgruppe aufgenommen?
Erb: Tatsächlich wurden wir schon einige Male von Bewerbern auf die Videos angesprochen. Sie waren zunächst überrascht, weil sie das zuvor noch nirgends gesehen hatten. Als sie das Video auf ihren Smartphones gestartet hatten, benötigten sie zunächst auch einige Sekunden, um festzustellen, wie es funktioniert, dass sie den Betrachtungswinkel mit der Position ihres Handys steuern konnten. Die Schüler, mit denen wir gesprochen hatten, fanden das wirklich toll.
Haufe Online-Redaktion: Mittlerweile gibt es Untersuchungen, die nachgewiesen haben, dass 360-Grad-Videos stärker wirken, wenn sie mit Virtual-Reality-Brillen betrachtet werden. Aber nicht jeder hat so etwas zuhause. Wie lösen Sie dieses Problem? Verteilen Sie zum Beispiel Cardboards aus Pappe, in die das Smartphone integriert wird, auf Messen?
Erb: Wir verteilen dort keine Cardboards. Aber wir haben Virtual-Reality-Brillen angeschafft, die wir auf Schüler- und Azubimessen mitnehmen. Diese Brillen stellen wir beispielsweise bei den nächsten Berufs-Infotagen für Schüler zur Verfügung. Dort kann sie jeder Interessierte aufsetzen und die Arbeitsplätze bei EnBW entdecken. Zuhause können sich die Nutzer die Videos über ihr Smartphone ansehen und über den Bewegungssensor des Geräts steuern. Das wird von der Youtube-App, die eigentlich auf jedem Smartphone installiert sein sollte, voll unterstützt.
Haufe Online-Redaktion: Wollen Sie weitere 360-Grad-Videos produzieren?
Erb: Ja. Zwar werden sie die klassischen Employer-Branding-Videos nicht ersetzen. Das sind zwei Formate, die parallel laufen. Aber wir sind gerade dabei, neue Videos zu drehen. Kürzlich habe ich mir einen schönen Sonnenbrand in einem Hochspannwerk geholt. Dort haben wir ein Fotoshooting durchgeführt und dann mit allen Azubis, die vor Ort waren, noch ein 360-Grad-Video gedreht. Aktuell ist die Kamera in Hamburg, wo wir ein Offshore-Büro haben. Danach wird sie in die Ostsee gehen, zum Windpark Baltic II der EnBW, damit auch dort Aufnahmen gemacht werden. Das ist auch ein Vorteil der eigenen Kamera: Wir können sie einfach an andere Standorte versenden und die Kollegen bitten, Videos zu drehen. So entdecken selbst wir noch ganz spannende Arbeitsplätze, die uns vorher gar nicht bekannt waren.
Oliver Erb ist Personalreferent beim Energieversorgungsunternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg und verantwortet dort das Employer Branding.
Das Interview führte Daniela Furkel, Redaktion Personalmagazin.
Mehr zum Thema Virtual Reality und 360-Grad-Videos erfahren Sie in unserer News "Durch die Virtual-Reality-Brille" sowie im Personalmagazin Ausgabe 5/2016, das Sie hier als App kostenfrei auf Ihr Smartphone oder Tablet herunterladen können.
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