1,17 Sekunden beträgt der Unterschied zwischen Frauen und Männern. Während sich Frauen Stelleninserate durchschnittlich 2,34 Sekunden ansehen, schaffen Männer dies in der halben Zeit. Das fand die Stellenbörse Jobware mittel Eye-Tracking-Studie heraus. Frauen seien eben sehr akribisch, meinten die Verfasser. Wobei ich mit dem Wort akribisch bisher eher längere Zeiträume als 2,34 Sekunden assoziiert hatte. Vermutlich gilt aber diese Spanne, in der Sprinter Usain Bolt immerhin 25 Meter weit rennt, im Talent Management bereits als akribisch.
Vorteile beim eiligen Lesen von Jobanzeigen
Mit ihrer Akribie machen Frauen, so die Forscher, allerdings einen riesengroßen Fehler. Beim flüchtigen Blick übersehen Männer die meisten Anforderungen im Stellenprofil und bewerben sich einfach mal auf gut Glück. Frauen hingegen zögern und brauchen durchschnittlich 19 Stellenanzeigen, bis sie sich für eine Bewerbung entscheiden. In ihren 2,34 Sekunden Aufmerksamkeit lassen sie sich oft einschüchtern - wozu Männer gar keine Zeit finden.
Sprachliche Fokussierung in Stellenanzeigen
Zudem seien viele Adjektive in Stellenanzeigen besonders maskulin und martialisch formuliert, was Frauen zusätzlich abschreckt, sagen die Experten vom Stellenportal. Mit dieser Aussage werden sie gleich von zwei weiteren Studien aus deutschen und angloamerikanischen Universitäten bestätigt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Männer besonders von Adjektiven wie durchsetzungsstark und selbstständig zu einer Bewerbung verführt werden. Hingegen springt die andere Hälfte der Menschheit auf Begriffe wie verantwortungsvoll und gewissenhaft an.
Praktische Konsequenzen des Schluderns
Auf Basis solcher Ergebnisse habe ich mir bezüglich der Genderausrichtung meiner Talent-Management-Kolumne intensiv Gedanken gemacht. Schon die Überschrift der heutigen Ausgabe zeigt dies: Wimpern gilt als weiblicher Ausdruck und Schläge als männlicher. Natürlich möchte ich alle Menschen als Leser gewinnen, ob sie nun durchsetzungsstark und selbstständig oder verantwortungsvoll und gewissenhaft sein möchten.
Übrigens: Ein durchschnittlicher Mann hätte in der Zeit, die er mit dem Lesen dieser Kolumne verplempert hat, rund 75 Stellenanzeigen querchecken und sich sechsmal bewerben können - wenn man die Ergebnisse der Jobware-Studie umrechnet.
Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.
Wie viele Studien braucht es eigentlich noch zu diesem Thema? Es wäre ja noch einsehbar, wenn sich mal was ändern würde - aber außer der o.g. Erkenntnis geben diese Studien offenbar nichts her, zumindest keinen Anreiz, etwas zu unternehmen, um Unterschiede, die unnötig sind, auszugleichen - zum Wohle von Männlein und Weiblein!
Auch wenn so manches, was es zu diesem Thema gibt, amüsant ist, hilfreich ist es in den seltensten Fällen.