Investitionen in Weiterbildung nehmen zu, aber verpuffen
Ob künstliche Intelligenz, Flexibilisierung oder Nachhaltigkeitstransformation: Die Arbeitswelt verändert sich. Damit verändern sich auch die Aufgabenprofile vieler Mitarbeitenden. Mit dem Fortschritt wird es zunehmend notwendig, sich weiterzubilden. Klar ist: Es entstehen gerade Anforderungsprofile, an die vor wenigen Jahren noch niemand gedacht hat.
Und der Wandel beschleunigt sich weiter. Laut dem Bericht "The Future of Jobs Report 2023" des World Economic Forum (WEF) könnte sich bis 2027 nahezu jeder vierte Arbeitsplatz verändern. Und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil prognostiziert, dass ab dem Jahr 2035 keine Arbeitsstelle mehr ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) auskommen wird.
Qualifikationsdefizite schwächen Zukunftsfähigkeit der Unternehmen
Mitarbeitende weiterzubilden, scheint für Arbeitgeber also immer wichtiger zu werden. In dem Bericht des WEF heißt es, dass sechs von zehn Beschäftigten bis 2027 eine Weiterbildung benötigen – aber nur die Hälfte Zugang dazu hat. Qualifikationsdefizite seien damit zu einem der größten Probleme für Unternehmen geworden. Auch die Schwierigkeit, neue Talente zu gewinnen, erschwert jedem zweiten Unternehmen, sich zukunftsfähig zu machen (53 Prozent).
Weiterbildungskosten pro Mitarbeiter
Häufig wird davon gesprochen, dass Unternehmen in Deutschland zu wenig zukunftsorientiert seien. Trotz der aktuellen Krisen, die auch finanzielle Einbußen mit sich bringen, scheinen viele deutsche Unternehmen aber durchaus die Notwendigkeit von Weiterbildungen zu sehen. So investierten die Unternehmen im Jahr 2023 durchschnittlich 1.347 Euro in die Weiterbildung einer beschäftigten Person, wie die Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Das sind über 100 Euro mehr als im Jahr 2019. Auch in zeitlicher Hinsicht gewinnt das Thema an Bedeutung: Mit jährlich 20,3 Stunden verbrachten Beschäftigte durchschnittlich zwei Stunden mehr mit Weiterbildung als vier Jahre zuvor. Insgesamt investierte die deutsche Wirtschaft mehr als 46 Milliarden Euro in Weiterbildung und damit real 2,3 Prozent mehr als noch 2019.
Investition in Weiterbildung: Individuelle Schulungsbudgets unterscheiden sich stark
Unterschiede lassen sich allerdings bezüglich der Hierarchiestufe beobachten. Während sich auf Geschäftsführungsebene acht von zehn Personen auf Firmenkosten weiterbilden können, sind es bei Angestellten ohne Personalverantwortung nur sechs von zehn. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Beratungsunternehmens HR Pepper und der Bitkom Akademie aus dem Jahr 2022 mit knapp 1.300 Befragten.
Vielen Mitarbeitenden fehlen Zeit und Geld für Weiterbildungen
Laut einer weiteren Umfrage, die Xing in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut Appinio im Februar 2023 unter 1.000 Berufstätigen durchgeführte, wünscht sich rund die Hälfte der Menschen in Deutschland mehr Weiterbildung im Job (48 Prozent). Davon geben allerdings 42 Prozent an, nicht genug Geld zur Verfügung zu haben – während ein Drittel derer, die sich weiterbilden wollen, von zu wenig Zeit berichten.
Wie die Umfrage nahelegt, interessieren sich Frauen und Männer aus unterschiedlichen Motiven für Weiterbildung: Während es den befragten Frauen vor allem darum geht, sich persönlich weiterzuentwickeln (58 Prozent), ist vielen männlichen Befragten wichtig, mehr zu verdienen (40 Prozent).
Die Xing-Umfrage zeigt weiter, dass mehr als die Hälfte der Arbeitgeber die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden fördert. Am beliebtesten waren bei den Befragten Sprachkurse (39 Prozent), gefolgt von der Weiterbildung in Führungs- und Management-Fähigkeiten (35 Prozent).
Weiterbildung: Größter Bedarf bei Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Am zufriedensten sind die Befragten der oben genannten Bitkom-Studie mit den Weiterbildungsangeboten ihrer Organisationen im Bereich Compliance, also beispielsweise Datenschutz-Schulungen oder Weiterbildungen im rechtlichen Bereich. Drei Viertel bezeichneten das Angebot hier als vollkommen oder eher ausreichend. Den größten Handlungsbedarf sehen die Befragten bei der Aufklärung über neue Vorgaben und Richtlinien im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Mehr als vier von zehn Personen sahen hier kein ausreichendes Angebot.
Lohnen sich die Investitionen in Weiterbildung?
Die Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung wie auch zur Investition in Weiterbildung sind also hoch. Jedoch bleibt oft unklar, inwiefern sich diese Investitionen auch auszahlen - ob der Lerntransfer in den Arbeitsalltag gelingt oder es bei einem kurzen Input ohne Wirkung bleibt. "In den Unternehmen regiert das Prinzip Hoffnung", diagnostiziert Professor Axel Koch in seiner Kolumne Lerntransfer. "Die Umsetzung des Gelernten wird schon von allein klappen", sei die vorherrschende Meinung.
Zu diesem Thema gibt es wenig zugängliche und verlässliche Untersuchungen. Berater von McKinsey schätzten, dass mindestens 50 Prozent der Mittel nicht zielführend eingesetzt werden.
Individualisierte Weiterbildungsangebote schneiden besser ab
Für Unternehmen gilt es abzuwägen, welche Art der Fort- und Weiterbildung die passende ist, um auch tatsächlich einen Lerntransfer zu erreichen. Wie die Bitkom-Studie zeigt, schneiden individualisierte Weiterbildungen besser ab als standardisierte. Teilnehmende scheinen sich danach "wichtige fachliche Kompetenzen" eher bei individualisierten Weiterbildungen angeeignet zu haben. Auch dass das Gelernte im Arbeitsalltag eingesetzt wird und einen positiven Effekt für das Unternehmen hat, haben mehr Teilnehmende von individualisierten Weiterbildungen angegeben. Aber: Die meisten Befragten waren auch mit den standardisierten Angeboten zufrieden.
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