Industry-Academia Summit "Predictive People Analytics"

Mithilfe von Predictive People Analytics sollen HR-Daten zu besseren Managemententscheidungen führen. Der erste "Predictive People Analytics Summit" in München zeigte viele offene Fragen und forderte eine stärkere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis.

"People Analytics sind nicht nur HR-Daten", erklärte Dietmar Eidens, HR-Vorstand bei dem Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck in Darmstadt. Die Datenanalyse ermögliche es, bessere und datengetriebene Geschäftsentscheidungen zu treffen und nur das sei es, was zählt.

Ziel von People Analytics ist es, aus vorhandenen Daten Prognoseinstrumente zu entwickeln, Kausalitäten aufzudecken und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Das Thema beschäftigt nicht nur HR-Manager, sondern auch Arbeitnehmervertreter, Berater und Investoren. "Das Mitarbeiterkapital spielt eine immer größere Rolle bei der Bewertung von Unternehmen", beobachtet Theo Siegert, auf dessen Anregung es zu der Tagung kam. Der Geschäftsführer des Familienunternehmens de Haen-Carstanjen & Söhne ist Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten (unter anderem bei Henkel, der Deutschen Bank und Eon) und lehrte bis 2012 als Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

People Analytics: Wissensaustausch zwischen Forschenden und Praktikern 

Veranstalter des ersten Predictive People Analytics Summits (PPA Summit) ist der Lehrstuhl für Organisationsökonomik an der LMU. Organisiert haben die Tagung die beiden Post-Docs Thomas Fackler und Nadzeya Laurentsyeva. "Wir wollen eine Plattform für den Wissensaustausch zwischen der Wissenschaft und den Unternehmen über aktuelle HR-Themen schaffen", erklärte Lehrstuhlinhaber Florian Englmaier auf der Veranstaltung. So gebe es bereits umfangreiche Forschung, die auch klare Indikationen für das Management habe. Künftig möchte man intensiver mit den Unternehmen bei Themen wie Digitalisierung, Diversity, Innovationen, Leadership, Talentmanagement oder Entlohnung kooperieren.

Voraussetzung für People Analytics ist eine gute Datenbasis, an der es bisher in den meisten Unternehmen hapert. Beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck, das in den drei sehr unterschiedlichen Bereichen Healthcare, Life Science und Performance Materials (Spezialchemikalien und Hightech-Materialien) tätig ist, habe man bereits 2011 mit der systematischen Datenerfassung begonnen, berichtet HR-Vorstand Eidens. Bis dahin habe es nur die Zahlen im Jahresbericht gegeben. 

Die richtigen Daten erfassen

Ausgangpunkt für die Datenanalyse müsse immer ein Problem sein, das es zu lösen gilt. Der Schlüssel sei es, dabei fokussiert zu bleiben: Was ist das Geschäftsproblem und wie lösen wir es? "Wir vergleichen das mit der Entscheidungsfindung im Finanzbereich oder im Supply-Chain-Management", so Eidens. HR sei daher der People Data Provider. Es gehe darum, die People Dimension eines Wissenschafts- und Technologieunternehmen zu formen. Traditionelle HR-Daten seien begrenzt und werden ihre Bedeutung verlieren, so Eidens. "Wir brauchen ein neues Set von HR Fähigkeiten." Von den 25 Mitarbeitern in seinem Team seien 20 ausgebildete Datenanalysten, häufig ohne HR-Kenntnisse. "Leader wollen verlässliche und korrekte Daten, aufbereitet auf eine einfache und verständliche Weise", betonte Eidens. "Keep it simple und halten Sie die Komplexität und die Fülle im Hinterzimmer."

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So gibt es bei Merck das Tool Mia (My intelligent analytics), das zum Beispiel die Verkaufserlöse pro Kopf anzeigt. Daraus ließen sich dann die Mitarbeiterkosten und der Wert des Geschäfts erkennen und entscheiden, ob man zum Beispiel an einem Geschäftsbereich festhält oder ihn aufgibt. Beim Recruiting durchforstet man die sozialen Netzwerke nach Experten. "Wenn wir einen auf eine bestimmten Krebstyp spezialisierten Augenarzt brauchen, suchen wir potentielle Kandidaten anhand der Publikationen zu dem Thema", so Eidens. "Wo sind solche Experten und in welchem Netzwerk sind sie aktiv?" 

Aus seiner Einstellung zur Wissenschaft machte der Merck-Vorstand keinen Hehl: "Wenn die Wissenschaft helfen kann, ok. Wenn nicht, machen wir es selbst." Auch der nächste Schritt steht für ihn schon fest. "Dank künstlicher Intelligenz brauchen wir künftig keine Menschen mehr bei der Entscheidungsfindung." 

HR-Daten für jedes Meeting

Auch bei Henkel hat man in den letzten Jahren erst einmal an der Verbesserung der Datenqualität gearbeitet, berichtete Carsten Bertling, Global Head Compensation & Benefits, Processes & Systems, Management & Analytics bei Henkel. Denn bisher gab es unterschiedliche, oft auf bestimmte Bereiche beschränkte Daten. Es sei oftmals nicht klar gewesen, wem die Daten gehörten und wer verantwortlich ist. "Das führte zu einem geringen Vertrauen in HR-Daten", gestand Bertling. Das habe man inzwischen geändert, klare Definitionen eingeführt, der Report wurde an die Bedürfnisse des Business angepasst und das Datenmanagement in neues Visualisierungstool integriert, zu dem auch das Management Zugang hat. Dabei seien die Daten stets bis zum einzelnen Mitarbeiter verfolgbar. "Heute sind HR-Daten in jedem Meeting präsent", erklärt Personalmanager. Es gebe eine bessere Integration in den Planungsprozess und die Manager fragten gezielt nach den HR-Daten. "Das ist eine nette Erfahrung für HR", so Bertling. 

"Wir werden immer wieder gefragt, wie man vorhersagen kann, ob ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen will", berichtete Barbara Wittmann, Country Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei Linkedin. "Alle wollen die Kristallkugel, aber die gibt es nicht." Bei Linkedin setze man auf ein konstantes Feedback mit zwei bis vier Pulse-Befragungen im Jahr. Die Ergebnisse bekomme jeder Mitarbeiter innerhalb einer Woche. An der Word-Cloud könne man dann erkennen, wie sich die Stimmung verändert hat und entsprechend reagieren.  

Was die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis bewirkt

Ein Beispiel, wie die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis funktionieren kann, zeigte Maria Guadalupe, Wirtschaftsprofessorin am INSEAD in Fontainebleau bei Paris. Dabei hat die renommierte Business School die ING DiBa bei ihrem Transformationsprozess begleitet. Die Onlinebank sei die erste Organisation mit einer traditionellen hierarchischen Struktur, die sich zu einer agilen Organisation mit autonomen Teams transformiert habe. "Auslöser waren vor allem zwei Dinge", erklärte Guadalupe. "Die Komplexität des Geschäfts und die Krise beim Mitarbeiterengagement." Die rund 3.000 Mitarbeiter wurden 13 Tribes und 280 Squads (multifunktionalen Teams) zugeteilt.

Zwei Jahre befragten die Forscher die Mitarbeiter, um herauszubekommen, was die Performance und das Engagement antreibt. Dabei sei es sehr hilfreich gewesen, dass INSEAD den Mitarbeitern klar signalisiert habe, keine individuellen Daten an die ING zurückzugeben. Das Ergebnis: Die Zufriedenheit hat zugenommen. Es gab in den Teams große Veränderungen in den ersten sechs Monaten, danach war es relativ stabil. Das Vertrauen in andere Teammitglieder und in die Führung des Tribes sowie Teamstabilität und Zeit miteinander sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren. "Je mehr Vertrauen es gibt, desto mehr Effizienz", so die Wissenschaftlerin. 

Gastdozenten von der London School of Economics

Eher etwas altbacken wirkten dagegen die Präsentationen zweier Professoren der London School of Economics, die sich auf ältere Studien bezogen. Catherine Thomas, Associate Professor of Managerial Economics and Strategy, beschäftigte sich mit Investitionen in die Weiterbildung. Der starke Anstieg bei den CEO-Gehältern bedeute, dass Talente mit General-Management-Fähigkeiten gefragt sind. Das wiederum hänge mit der Weiterbildung in den Unternehmen zusammen. Denn die könnten ihre Mitarbeiter entweder in General-Management-Kompetenzen oder in unternehmensspezifischen Kompetenzen trainieren. Doch Mitarbeiter, die in General-Management trainiert sind, profitieren davon, wenn sie das Unternehmen verlassen. Daher stelle sich die Frage: Wer zahlt die Investitionskosten? Und wie viel sollten die Unternehmen in die beiden Bereiche investieren? Forscher kamen dabei zu dem Schluss: Der Mitarbeiter sollte seine General-Management-Weiterbildung selbst zahlen. "Wenn man das weiter durchdenkt, kommt man zu der Erkenntnis, dass es zu wenig Investment gibt", erklärt Thomas. Dazu komme ein weiteres Problem: Mitarbeiter, die am Anfang ihrer Karriere stehen und die Weiterbildung am ehesten bräuchten, haben kein Geld dafür. 

Jordi Blanes-I-Vidal, Associate Professor of Managerial Economics and Strategy, berichtete über zwei Kooperationsprojekte der Hochschule zum Thema Kommunikation. Das eine fand gemeinsam mit der Manchester Polizei statt und zeigte, dass es effektiver ist, wenn der Mitarbeiter, der einen Notruf annimmt, mit dem Polizisten, der die weiteren Maßnahmen einleitet, in einem Raum und nicht an unterschiedlichen Orten sitzt. Diese Teams waren schneller, verhinderten mehr Verbrechen und lösten mehr Fälle. Anders verhielt es sich bei Callcenter-Mitarbeitern des Online-Reisebüro Ctrip in China. Sie arbeiteten zu Hause mehr Minuten pro Schicht, nahmen mehr Anrufe entgegen und sparten sich die lange Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz. 

Weiterer Austausch in Workshops

In den drei Workshops zu den Themen "HR-Management in der agilen Welt", Digitalisierung und Informationsfluss" sowie "Identifikation und Entwicklung von Talenten" wurde nicht nur intensiv diskutiert, es wurde auch deutlich, dass noch viele Fragen offen sind. Was bedeutet eigentlich Agilität? Und sollen auch Mitarbeiter in der Produktion agil sein? Was ist ein Talent? Wie identifiziert man es? Führen Algorithmen zu besseren Entscheidungen bei der Personalauswahl? Ein Teilnehmer brachte es treffend auf den Punkt: "HR weiß oft viel zu wenig und sieht künstliche Intelligenz als etwas Magisches. Aber da ist nichts magisch."


Die Initiative Predictive People Analytics will eine Plattform für den engeren Kontakt zwischen Wissenschaft und Praxis schaffen. Neben Veranstaltungen wie dem PPA-Summit soll unter www.predictive-people-analytics.net ein Online-Portal zum Austausch von Problemen und Lösungsansätzen aufgebaut werden.


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