Haufe Online-Redaktion: Sie waren fünf Jahre Personalvorstand der Deutschen Telekom. Der Aktienkurs ist in Ihrer Vorstandszeit von 13 auf unter 9 Euro gesackt. Warum ist es nicht gelungen, den Wert des Unternehmens zu steigern?
Thomas Sattelberger: Bei allen Telekommunikationsunternehmen sind in dieser Zeit die Kurse gefallen. Wir müssen dabei zwei Arten von Unternehmen unterscheiden, die einen mit aus dem staatlichen Monopolistentum stammenden Altlasten, die anderen ohne. Als Deutsche Telekom haben wir große historische Bürden und konnten beziehungsweise wollten nicht den Weg gehen, alle Serviceeinheiten outzusourcen, wie das beispielsweise die spanische Telefonica gemacht hat. Das hätte die Sozialpartnerschaft gesprengt. Gleichzeitig waren und sind wir der festen Überzeugung, dass wir über die Qualität unserer eigenen Services langfristig Kundenbeziehung als strategischen Erfolgsfaktor gestalten können.
Der Verweis auf die historischen Lasten ist für den Aktionär keine befriedigende Antwort.
Sattelberger: Auch der Aktionär muss sich dieser Realität stellen. Wir tragen noch heute jährlich eine halbe Milliarde Zusatzlasten für Beamtenpensionen. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Nicht die Beamten, sondern die Altersversorgungsstrukturen sind die gravierende finanzielle Last. Wir haben zudem unsere Vermittlungsfirma Vivento aufgestellt, die sozusagen auf Deckungsbeitragsbasis Beamte in den öffentlichen Dienst vermittelt. Wenn Sie alles an historischen Lasten addieren, kommen Sie auf 1,1 Mrd. Euro Kosten pro Jahr. Das ist die Antwort, die auch ich selbst Analysten gebe.
Haufe Online-Redaktion: Auch die Umsätze sind in den letzten fünf Jahren zurückgegangen. Das kollidiert mit Ihrem Anspruch, ein Global Player in einem Wachstumsfeld zu werden!
Sattelberger: Die Schrumpfung ist doch verordnet. Die Regulierung des „Platzhirsches“ ist ein erklärtes politisches Ziel. Erst jüngst hat uns die Bundesnetzagentur untersagt, mit NetCologne eine Kooperation einzugehen. Die Frage, die sich uns stellt, lautet eher: Wie schnell können wir Schrumpfungs- durch Wachstumsgeschäft ersetzen? Leider erleben wir derzeit, dass das Altgeschäft schneller schrumpft als der Aufbau des Neugeschäfts vorangeht.
Besorgt Sie das?
Sattelberger: Ja, aber nicht existenziell. Denn ich sehe, dass wir beim Aufbau des Neugeschäfts Fuß fassen, beispielsweise bei den Themen Geschäftskunden, Lösungen zu Energie, Gesundheit oder vernetztem Auto oder der Cloud-Strategie. Unsere strategischen Diskussionen im Vorstand zur Zukunft sind hart, aber nicht angstgeprägt.
Welche Rolle hat der Personalvorstand bei solchen Strategiediskussionen? Sagt er: Wir müssen auf die Cloud setzen! Oder: Wenn wir auf die Cloud setzen, zieht das so viel an Arbeitskosten nach sich?
Sattelberger: Zur ersten Frage ein klares strategisches Ja. Zur zweiten Frage argumentiert er differenzierter: Zum einen spielen in dieser Entscheidung Arbeitskosten keine zu große Rolle. Der Personalvorstand fragt: Haben wir die Kompetenzen an Bord? Wer führt das divisionsübergreifende Projekt? Brauchen wir für die neuen, unternehmerischen Schnellboote eigene Planungs- und Vergütungssysteme? Die Logik von Effizienzgeschäften ist eine andere als die von Wachstums- und Innovationsgeschäften. Dazu haben wir Konzepte umgesetzt, die uns das ermöglichen.
Als Personalvorstand haben Sie sich vier große Ziele gegeben. Eines davon heißt wettbewerbsfähige Belegschaften. Fakt ist: Der Umsatz pro Mitarbeiter ist in den letzten drei Jahren zurückgegangen. Widerspricht das nicht diesem Anspruch?
Sattelberger: Der Personalvorstand ist zuerst Unternehmer, dann Arbeitskostenmanager. Diese Kennzahl drückt zunächst einmal aus, wie schnell wir schrumpfen und wie schnell wir wachsen. Wenn Sie Geschäftsdynamik so betrachten, lautet die Frage, wie Sie eine Organisation schaffen, in der Wachstum schneller stattfindet und die Kosten mit den Umsätzen passabel atmen können. Sonst werden Sie schnell zum Büttel des Finanzbereiches oder verfolgen eine Politik "Shrink to Glory".
Also spiegelt die Zahl Umsatz pro Mitarbeiter keinen Misserfolg des Personalvorstands Thomas Sattelberger wider?
Sattelberger: Nein. Da muss ich müde lächeln. Wir haben es seit 2008 geschafft, den Personalaufwand von damals fünf Milliarden bei T-Deutschland deutlich über eine Halbe Milliarde Euro zu senken. Gleichzeitig ist der Umsatz um 2,5 Milliarden zurückgegangen. Hätten wir den Personalaufwand um 2,5 Milliarden senken können? So etwas geht selbst in tiefen Krisen kaum. Aber in der Tat: Diese Diskussion musste ich mit meinem Finanz-Kollegen führen.