Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern - Grenzen der Zulässigkeit
Sein ganzes bisheriges Arbeitsleben hat der dort auch ausgebildete Kfz-Mechaniker in dem Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs in Nordrhein-Westfalen verbracht, der ca. 2.500 Mitarbeiter beschäftigt.
Angefangen hatte der BR-Vorsitz als Kfz-Mechaniker
Klein angefangen in der Lohngruppe 5 (LG 5) des Ende der 90er Jahre geltenden BZT-G/NRW, arbeitete er sich stetig hoch. Er wurde für höherwertige Tätigkeiten eingesetzt, was ihm 2001 die LG 5/6a und 2007 die LG 6/7 einbrachte. Zwischenzeitlich hatte er auch seine Meisterprüfung im Kfz-Techniker-Handwerk erfolgreich abgelegt.
Als er 2008 die Leitung der Auszubildenden-Werkstatt übernahm, hatte der TV-N den alten BZT-G/NRW abgelöst, aus Lohngruppen (LG) wurden Entgeltgruppen (EG). Für den neuen Ausbildungsleiter bedeutete dies die EG 9, Stufe 4 TV-N, verbunden mit einem weiteren Gehaltsanstieg.
Frühe Tätigkeit in der Arbeitnehmervertretung des Betriebs
Seit 2002 engagierte sich der Autoschlosser im Betriebsrat. 2010 übernahm er das Amt des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und wurde zu diesem Zwecke vollständig von seiner Arbeit freigestellt (§ 38 BetrVG).
- Zu Jahresbeginn 2012 wurde ihm eine Stelle angeboten, die mit der EG 11 Stufe 5 dotiert war,
- die er wegen seiner vollzeitigen Betriebsratstätigkeit nicht annehmen konnte, weshalb er seitdem entsprechend bezahlt wurde.
Vom Sachbearbeiter zum Abteilungsleiter
Aufgrund einer Änderungsvereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien übernahm der Mitarbeiter ab März 2013 eine Abteilungsleiterstelle und wurde auf die EG 13 Stufe 5 hochgruppiert. Für 2014 wurde gar eine Höhergruppierung in die EG 14 Stufe 6 anvisiert. Sein Amt als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender legte er nieder und widmete sich ganz der neuen Stelle.
Straftat zu Lasten des Arbeitgebers
Diesem steilen Karriereweg bereitete der Mitarbeiter zunächst selbst ein Ende, indem er seinen Arbeitgeber hinterging. Zu drei verschiedenen Gelegenheiten ließ er 2013 sein eigenes und das Privatfahrzeug seiner Ehefrau in der Werkstatt seines Arbeitgebers reparieren, ohne hierfür die Kosten zu übernehmen. Nach Entdeckung
- holte er die Bezahlung nach,
- kassierte eine Abmahnung und bezahlte darüber hinaus – per Änderungsvereinbarung –
- mit einer Rückstufung in die EG 11 Stufe 6 TV-N.
- Fortan arbeitete er wieder als Sachbearbeiter.
2014 wurde der Arbeitnehmer wieder in den 19-köpfigen Betriebsrat gewählt, übernahm dort das Amt des Vorsitzenden bei Freistellung von seiner Tätigkeit. Die Verfehlung des frischgebackenen Betriebsratsvorsitzenden hielt die Geschäftsleitung nicht davon ab, ihn weiter finanziell aufsteigen zu lassen. Seit April 2014 erhielt dieser eine Vergütung nach der EG 14 Stufe 6, was beachtlichen 6.539,54 EUR brutto entspricht.
Gehaltsüberprüfung und Rückstufung durch neue Geschäftsleitung
Im Herbst 2017 fand ein Unternehmenszusammenschluss statt. Die neue Geschäftsleitung hat u.a. die Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden, der auch weiterhin in dieser Position verblieb, überprüft und ist dabei stutzig geworden. Sie hielt die Eingruppierung in die Entgeltstufe 14 Stufe 6 für unrechtmäßig und nur ein Gehalt nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 6 für angemessen.
Arbeitsgerichte sollen Klärung herbeiführen
Der Betriebsratsvorsitzende bestand auf seinem hohen Gehalt, wollte dies für die Zukunft festgestellt wissen und die Differenz (1.636,73 EUR brutto pro Monat) nachgezahlt bekommen. Der Arbeitgeber mit der neuen Geschäftsleitung an der Spitze seinerseits verlangt Feststellung bezüglich der Entgeltgruppe 11 Stufe 6 und Rückerstattung des in der Vergangenheit zuviel gezahlten Gehalts.
Nullsummenspiel
Was die Zahlungen anbetrifft, hat sie keine der Parteien in diesem Rechtsstreit zugesprochen bekommen. Der Kläger nicht, weil die Gerichte die Eingruppierung in eine höhere als die Entgeltgruppe 11 Stufe 6 für eine Begünstigung wegen der Betriebsratstätigkeit ansahen, aber auch die widerklägerische Arbeitgeberin nicht, weil sie – wenn auch in Person der vormaligen Geschäftsleitung – an der Begünstigung mitgewirkt hat (§ 817 S. 2 BGB).
Klare Übervorteilung wegen Rolle in der Arbeitnehmervertretung
Was die Feststellung der Entgeltgruppe betrifft, musste im Ergebnis der Betriebsratsvorsitzende den Kürzeren ziehen. Das LAG Düsseldorf schätzte die Sache ganz genauso wie die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Essen, ein. Die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe höher als die 11, stelle eine Übervorteilung des Betriebsratsvorsitzenden dar, da diese nicht seiner beruflichen Entwicklung entsprach. Insbesondere nachdem er sich auf der Abteilungsleiterposition nicht bewährt, sondern sie zu seinem persönlichen Vorteil ausgenutzt hatte.
Vergütung muss betriebsüblicher Entwicklung entsprechen
Folgende Fragen müssen in Fällen wie diesen gestellt werden:
- Ist das Entgelt so bemessen wie das vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung?
- Hätten dem Betriebsratsmitglied – unabhängig von seinem Amt – nach dem betriebsüblichen Lauf die höherwertigen Tätigkeiten übertragen werden müssen?
- Hätte die Mehrzahl vergleichbarer Mitarbeiter einen solchen Aufstieg erreicht?
Karriere zu traumhaft, um korrekt zu sein
Im Fall des Automechanikers sprachen zu viele Anhaltspunkte dagegen, v.a.:
- die raren Stellen im Bereich der EG 14 (12 aus 2.500) und
- die begangene Unterschlagung und damit Nichtbewährung auf der EG 13-Stelle wenige Wochen nach Erlangung und der dementsprechend schnelle Verlust der Stelle.
(LAG Düsseldorf, Urteil v. 17.4.2019, 7 Sa 1065/18),
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Betriebsratsvergütung - zu viel und zu wenig verstößt gegen das BetrVG
Hintergrund:
Grundsatz der Vergütung der hypothetischen Arbeitstätigkeit:
Das Verbot der besonderen Vergütung der Betriebsratstätigkeit ist gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG verbunden mit einem Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der erforderlichen Betriebsratstätigkeit.
- Während der Betriebsratstätigkeit ist der Betriebsrat so zu stellen, als hätte er während dieser Zeit regulär gearbeitet.
- Dies beinhaltet während der Tätigkeit als Betriebsrat einen Anspruch auf Lohnzahlung in Höhe des Arbeitslohns, den der Betriebsrat während seiner sonstigen Arbeit erzielt hätte (BAG, Urteil v. 18.5.2016, 7 AZR 401/14).
Zu vergüten ist aber grundsätzlich nur die fiktive Arbeitstätigkeit und nicht das Amt.
Balanceakt zwischen Begünstigung und Benachteiligung
Was sich zunächst so selbstverständlich anhört, ist in der Praxis häufig mit erheblichen Bewertungsschwierigkeiten verbunden. Das Lohnfortzahlungsprinzip bedeutet nämlich, dass der Betriebsrat durch seine Betriebsratstätigkeit keinerlei Nachteile gegenüber einer Arbeit in seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit erleiden darf.
Freigestellte haben gem. § 78 BetrVG Anspruch auf Gehaltserhöhungen, die sie durch Beförderungen erhalten hätten. Orientieren sollen sich die Erhöhungen dabei an den betriebsüblichen Karrieren von Kollegen, die zum Zeitpunkt der Freistellung in ähnlicher Position mit ähnlichen Fähigkeiten gearbeitet haben.
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