Betriebsratsvergütung - zu viel und zu wenig verstößt gegen das BetrVG
Das Verbot der Benachteiligung oder Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern soll sicherstellen, dass die Betriebsratsmitglieder bei ordnungsgemäßer Tätigkeit nicht anders behandelt werden als die anderen Arbeitnehmer (§ 78 BetrVG).
Immer mal wieder kommt es trotzdem zu unrechtmäßige Leistungen an Betriebsräte. Ebenso kommt es vor, dass sie beim Lohnausgleich für ihre ehrenamtliche Betätigung benachteiligt werden.
Betriebsräte üben ein Ehrenamt aus
Das Ehrenamtsprinzip verfolgt den gesetzgeberischen Zweck, eine ganze Reihe von als nahezu unvereinbar erscheinende Attribute zu vereinigen.
Der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit soll
- die Unabhängigkeit des Betriebsrats gewährleisten,
- ihn gleichzeitig als regulären Arbeitnehmer und damit als Teil der Belegschaft ausweisen,
- den Betriebsrat deutlich von einem mit besonderen Vorteilen ausgestatteten Arbeitnehmerfunktionär abgrenzen
- und die Unparteilichkeit des Betriebsrats gewährleisten.
Grundsatz der Vergütung der hypothetischen Arbeitstätigkeit
Das Verbot der besonderen Vergütung der Betriebsratstätigkeit ist gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG verbunden mit einem
- Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der erforderlichen Betriebsratstätigkeit.
- Während der Betriebsratstätigkeit ist der Betriebsrat so zu stellen, als hätte er während dieser Zeit regulär gearbeitet.
- Dies beinhaltet während der Tätigkeit als Betriebsrat einen Anspruch auf Lohnzahlung in Höhe des Arbeitslohns, den der Betriebsrat während seiner sonstigen Arbeit erzielt hätte (BAG, Urteil v. 18.5.2016, 7 AZR 401/14).
- Zu vergüten ist aber grundsätzlich nur die fiktive Arbeitstätigkeit und nicht das Amt.
Balanceakt zwischen Begünstigung und Benachteiligung
Was sich zunächst so selbstverständlich anhört, ist in der Praxis häufig mit erheblichen Bewertungsschwierigkeiten verbunden.
Das Lohnfortzahlungsprinzip bedeutet nämlich, dass der Betriebsrat durch seine Betriebsratstätigkeit keinerlei Nachteile gegenüber einer Arbeit in seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit erleiden darf.
Anspruch auf Gehaltserhöhungen, die sie erhalten hätten
Freigestellte haben gem. § 78 BetrVG Anspruch auf Gehaltserhöhungen, die sie durch Beförderungen erhalten hätten.
Orientieren sollen sich die Erhöhungen dabei an den betriebsüblichen Karrieren von Kollegen, die zum Zeitpunkt der Freistellung in ähnlicher Position mit ähnlichen Fähigkeiten gearbeitet haben.
Deshalb sind bei der Berechnung des hypothetisch durch reguläre Arbeitsleistung erzielbaren Lohns auch verschiedene variable Lohnfaktoren in Rechnung zu stellen wie
- Überstundenvergütung,
- besondere Zulagen (abzüglich ersparter Aufwendungen beispielsweise bei einer Schmutzzulage),
- leistungsbezogene Arbeitsentgelte wie Boni, Tantiemen und Provisionen,
- Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie
- Ausgleichszahlungen für eine hypothetisch mögliche berufliche Entwicklung (z.B. Beförderungen), die infolge der Betriebsratstätigkeit entfällt, §§ 37 Abs. 4 u. 5 , 38 Abs.3 BetrVG.
Dies sollten Unternehmen schon im eigenen Interesse beachten, denn wenn der Weg und die Wahl in den Betriebsrat zu massiven Nachteilen führt, wird dies langfristig der Qualität der Arbeitnehmervertretung schaden.
In Aktiengesellschaften teilweise erstaunliche fiktive Karrieren
Doch auch das Gegenteil kommt vor. Gerade in großen Unternehmen kommt es manchmal zu erstaunlichen fiktiven Karrieren, denn die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sind hälftig mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretern besetzt. Dadurch entscheiden die Betriebsräte z.B. mit über die Besetzung und Vergütung des Vorstands. Das kann auch die fiktiven Karriere der Betriebsräte befeuern.
Umgekehrt ist in kleinen Unternehmen die Berechnung des hypothetisch durch reguläre Arbeitsleistung erzielbaren Lohns in ihren Feinheiten oft nicht bekannt, was Betriebsratsgehälter stagnieren lässt.
Betriebspraxis häufig nicht gesetzeskonform
Doch nicht nur die korrekte Ausgestaltung des Lohnfortzahlungsprinzips wird gelegentlich vernachlässigt. In der Praxis war man in der Vergangenheit auch äußerst kreativ, um Betriebsräten trotz der klaren gesetzlichen Verbotsregeln besondere Entgelte zukommen zu lassen, etwa durch
- Sitzungsgelder in Form von Aufwandsentschädigungen,
- besondere Arbeitsfreistellungen, unter anderem die Gewährung von Sonderurlaub,
- Beförderungen und damit einhergehende Lohnhöhergruppierungen, die der realen beruflichen Situation nicht entsprachen,
- besondere Dienstwagenregelungen,
- Gewährleistung besonderer betrieblicher Fortbildungsmaßnahmen.
Solche Praktiken widersprechen deutlich dem Zweck des Gesetzes, die Unabhängigkeit des Betriebsrates zu gewährleisten.
Strafrechtliche Verfolgung bleibt häufig aus
Für die Arbeitgeber bedeutet die Behandlung der Betriebsräte häufig eine Gratwanderung zwischen dem Verbot der Besserstellung einerseits und dem Verbot der Benachteiligung andererseits.
Bei Verstößen riskieren die Beteiligten grundsätzlich strafrechtliche Sanktionen. Gemäß §§ 78, 119 BetrVG werden Verstöße in diesem Zusammenhang strafrechtlich aber nur auf Antrag verfolgt, eine Vorschrift, die von Strafrechtlern zunehmend infrage gestellt wird und die schon häufig die strafrechtliche Ahndung von Verstößen (siehe Opel im Jahr 2012) verhindert hat.
- Allerdings riskieren Arbeitgeber, die unrechtmäßige Vergütungen von Betriebsratsmitgliedern steuerlich absetzen, eine strafrechtliche Verfolgung wegen Steuerhinterziehung gemäߧ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
- Außerdem erwägen Strafrechtler zunehmend die Anwendung des Untreuetatbestands gemäß § 266 StGB, wenn Zuwendungen an Betriebsräte ohne Rechtsgrundlage erfolgen.
- Zivilrechtlich betrachtet sind sämtliche Vergütungsvereinbarungen, die gegen das Ehrenamtsprinzip verstoßen, gemäß § 134 BGB nichtig.
Auch wenn bisher in der strafrechtlichen Praxis selten Sanktionen für unrechtmäßige Betriebsratsvergütungen umgesetzt wurden, so sollte dies für Betriebe kein Grund sein, auf eine Überprüfung und Kontrolle der Betriebsratsvergütungen im Rahmen der betrieblichen Compliance zu verzichten. Wer Compliance im Unternehmen ernst nimmt, darf Regelbereiche nicht nur deshalb aussparen, weil bisher keine ernsthaften Sanktionen drohen. Letzteres könnte sich im übrigen im Rahmen einer geänderten strafrechtlichen Sichtweise auch sehr schnell ändern.
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