Spannender Samenspendenfall vor dem BGH
Die Brisanz des Rechtsstreits zeigt sich schon daran, dass die Vorinstanzen gegensätzlich entschieden haben und das OLG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BGH ausdrücklich zugelassen hat. Die am 18.10.2008 geborene Klägerin macht, vertreten durch ihre Mutter, einen vertraglichen Unterhaltsanspruch gegen den ehemaligen Intimpartner ihrer Mutter geltend. Hilfsweise fordere sie Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts, weil der Beklagte den ihm bekannten Namen des Samenspenders nicht nennt.
Einwilligung in die heterologe Insemination
Die Mutter der Klägerin und der Beklagte unterhielten in den Jahren 2000 bis mindestens September 2007 eine freundschaftliche, intime Beziehung. Gleichzeitig führten sie zwei getrennte Haushalte. Der Beklagte ist zeugungsunfähig; seine Partnerin wünschte sich unbedingt ein Kind. Im Juli 2007 führte der Hausarzt bei der Mutter der Klägerin mit ausdrücklicher Zustimmung des Beklagten eine heterologe Insemination durch. Das Fremdsperma hatte der Beklagte selbst von einer dritten Person besorgt. Darüber hinaus unterzeichnete der Beklagte eine schriftliche Erklärung des Inhalts, er werde „ für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen .... und die Verantwortung übernehmen“. Die Insemination zeigte nicht den gewünschten Erfolg.
Die spätere Insemination war erfolgreich
In den Monaten Dezember 2007 und Januar 2008 wurden zwei weitere Versuche der heterologen Insemination unternommen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ging das OLG davon aus, dass auch in diesen Fällen der Beklagte den Fremdsamen besorgt hatte. Der im Januar 2008 durchgeführte Versuch war erfolgreich und führte zur Geburt der Klägerin. Die von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsansprüche wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass er weder der biologische noch der rechtliche Vater der Klägerin sei.
Elternschaft durch Willensakt
Nachdem das Familiengericht die Auffassung des Beklagten teilte, gab das OLG der Unterhaltsklage statt. Das OLG stellte zunächst auf die Fallkonstellation der Übernahme der Elternschaft durch einen verheirateten Ehemann ab. Das Einverständnis eines verheirateten Ehemann mit der heterologen Insemination sei einer Adoption ähnlich. Eine Adoption beinhalte die Übernahme der Elternschaft durch Willensakt für ein bereits erzeugtes bzw. geborenes Kind. Die Einwilligung in die heterologe Insemination unterscheide sich hiervon vor allem dadurch, dass der Willensakt - also die Einwilligung - die Geburt eines Kindes überhaupt erst ermöglichen solle.
Die Einwilligung ist als Vertrag zu Gunsten Dritter zu werten
Vor diesem Hintergrund könne die ausdrückliche Einwilligung eines Intimpartners in die heterologe Insemination nur dahingehend verstanden werden, dass der Einwilligende wie ein ehelicher Vater für das Kind sorgen wolle. Dies wiederum umfasse auch die Übernahme der gesetzlichen Unterhaltspflicht, deren Voraussetzungen tatbestandlich im übrigen nicht gegeben wären. Mit der ausdrücklich erteilten Einwilligung gebe der Partner aber seine Bereitschaft zu erkennen, die Pflichten eines biologischen bzw. gesetzlichen Vaters zu übernehmen. Dies gelte erst recht, wenn – wie hier – der Einwilligende eine ausdrückliche Erklärung dahingehend abgebe, dass er für die Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde. Unter Berücksichtigung der familienrechtlichen Besonderheiten einer solchen Konstellation, sei eine solche Erklärung daher nur als Vertrag zu Gunsten eines Dritten, nämlich des aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kindes zu werten. Aus diesem echten Vertrag zu Gunsten Dritter folge unmittelbar der Anspruch des Kindes auf Zahlung des gesetzlichen Unterhalts
Lange Zeitspanne zwischen Einwilligung und erfolgreicher Insemination
Die zusätzliche Problematik, dass die zum Erfolg führende Insemination erst ca. ein halbes Jahr nach Erteilung der Einwilligung erfolgte, versuchte das OLG dadurch aufzulösen, dass der Beklagte sich nach der erfolgten Geburt des Kindes nach außen als Vater geriert habe. Er habe die Geburtsanmeldung des Kindes für das Standesamt unterschrieben, habe sich als Vater vom Bekanntenkreis feiern lassen und Teile der Erstausstattung des Kindes finanziert sowie für die Dauer von drei Monaten anstandslos Unterhalt gezahlt. Dies alles deute darauf hin, dass auch die im Januar 2008 erfolgte Insemination von der Einwilligung des Beklagten erfasst gewesen sei. Auf den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Kindes wegen entgangenen Unterhalts durch Nichtbenennung des Samenspenders kam es nach der Entscheidung des OLG nicht mehr an.
BGH-Termin mit Spannung erwartet
Rechtlich bedeutet die Entscheidung auch für den BGH Neuland. Die Gesetzeslage selbst ist als eher unklar zu bewerten. Mit Spannung wird daher erwartet, ob der BGH in der anberaumten Verhandlung bereits eine Entscheidungstendenz erkennen lässt. Eine klare gesetzliche Regelung würde an dieser Stelle nicht schaden. Interessant ist, ob der BGH sich der Bewertung des OLG anschließt, dass bereits die Einwilligung zur heterologen Insemination als Vertrag zu Gunsten des Kindes zu werten ist, auch wenn eine ausdrückliche Übernahmeverpflichtung hinsichtlich des Unterhalts und sonstiger Verantwortlichkeiten nicht erteilt wird. Das OLG hatte die abgegebene Zusatzerklärung des Beklagten für den Unterhaltsanspruch eher als nicht konstitutiv angesehen, sondern den Anspruch originär aus der Zustimmung zur Insemination heraus begründet.
(OLG Stuttgart, Urteil v. 4.9.2014, 13 U 30/14; BGH, XII ZR 99/14)
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