Mit ihrer negativen Antwort auf diese Fragen bewegen sich die Gaming-Anbieter auf rechtlich unsicherem Terrain. Allerdings hält die Rechtsprechung bisher noch keine eindeutigen Antworten bereit. Man kann daher nur versuchen, sich dem Problemkomplex durch einen Rekurs auf bereits ergangene gerichtliche Entscheidungen zu verwandten Fragen in anderen Segmenten des Internets, insbesondere im Bereich sozialer Netzwerke, anzunähern.
In „Gaming Accounts“ kann richtig viel Geld stecken
So kurios und möglicherweise auf den ersten Blick unbedeutend diese Fragen zur Übertragbarkeit eines „Gaming Accounts“ erscheinen mögen, so bergen sie doch eine erhebliche rechtliche Brisanz. Nicht wenige User verwenden auf „Gaming Accounts“ erhebliche finanzielle Beträge und erspielen sich mühevoll über Monate aus ihrer subjektiven Sicht wertvolle Spielpositionen. Nicht selten versuchen Gamer deshalb, den „Gaming Account“ und die erworbenen Spielpositionen testamentarisch auf ihre Erben zu übertragen.
Plattformbetreiber unterbinden Vererbung
Das Problem der Gamer besteht darin, dass die meisten Betreiber von Gaming-Plattformen die Übertragung der Accounts zu unterbinden versuchen und in ihren AGB jegliche Übertragung und Vererbung der Accounts auf Dritte untersagen. Das wirtschaftliche und rechtliche Interesse der Anbieter, die Übertragung der Accounts zu unterbinden, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Viele der angebotenen Spiele leben davon, dass die Gamer sich bestimmte Spielpositionen erspielen und andere Mitspieler nicht plötzlich auf ihnen bisher nicht bekannte Personen stoßen, die das Spiel weiterführen, ohne dem erreichten Spielniveau gerecht zu werden.
Gamer versuchen mit Tricks, die Übertragungsverbote zu umgehen
Eine der führenden Spieleanbieter „Valve“, Betreiberin der Plattform „Steam“, untersagt ihren Spielern in ihren AGB pauschal jegliche Weitergabe der Zugangsdaten zum „Gaming Account“ an Dritte. Im Internet wird von den Gamern seit längerem lebhaft diskutiert, die Zugangsdaten - was bei „Steam“ ebenfalls verboten ist - aufzuschreiben und somit für Hinterbliebene im Erbfall die Möglichkeit zu eröffnen, die Spiele – ggf. für den Anbieter unerkannt - weiterzuführen.
Deutsches Erbrecht könnte dem Vererbungsverbot entgegenstehen
Juristisch sind die Vorgaben der Anbieter von Spieleplattformen zumindest umstritten und möglicherweise nicht haltbar. Gemäß § 1922 BGB gilt in Deutschland im Erbrecht der Grundsatz der Universalsukzession, d.h. das gesamte Vermögen eines Erblassers geht mit dem Tod gemäß § 1922 BGB auf die Erben über. Damit würde auch ein Nutzungsrecht an einem Computerspiel grundsätzlich im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergehen, vorausgesetzt, das Nutzungsrecht ist als Bestandteil des Vermögens des Erblassers zu qualifizieren. Die Frage ist also, ob das Nutzungsrecht an einem „Gaming Account“ einen Vermögenswert darstellt oder ob dieses Nutzungsrecht einen nicht-vermögensrechtlichen, höchstpersönlichen Charakter hat, der einem Rechtsübergang entgegensteht.
Ist ein „Gaming Account“ Teil des digitalen Nachlasses?
In dieser Frage hilft eine Entscheidung des BGH zum digitalen Nachlass hinsichtlich des sozialen Netzwerkes Facebook weiter. Im Jahr 2018 hat der BGH geurteilt, dass ein Online-Account bei Facebook Teil des sogenannten digitalen Nachlasses des Erblassers und damit Teil dessen Vermögens ist (BGH, Urteil v. 12.7.2018, III ZR 183/17). Nach dieser Entscheidung des BGH könnte auch ein „Gaming Account“ einen Vermögenswert im Rahmen des digitalen Nachlasses darstellen und damit im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergehen. Nach einer weiteren Entscheidung des BGH darf Facebook auch den Erben den Zugang zum Account nicht vorenthalten. Der Zugang muss für die Erben genauso leicht möglich sein wie zuvor für den Erblasser (BGH, Beschluss v. 27.8.2020, III ZB 30/20). Auch die Anwendung dieses Grundsatzes auf das Nutzungsrecht an einem „Gaming Account“ ist grundsätzlich rechtlich denkbar.
Dürfen die Erben auf der Spielposition des Erblassers weiterspielen?
Würde man hiernach einen „Gaming Account“ als zum digitalen Nachlass gehörig qualifizieren, schlösse sich hieran die Frage an, ob dies auch die erreichte individuelle Spielposition des Erblassers erfasst, also ob die Erben auf dieser Position weiterspielen dürfen oder ob die erreichte Spielposition infolge ihres höchstpersönlichen Charakters nicht als eine zum Vermögen des Erblassers gehörende Position zu qualifizieren ist.
Auch höchstpersönliche Güter fallen in den Nachlass
In seiner Facebook-Entscheidung bezieht der BGH zu dieser Frage eine klare Position. Danach scheidet eine erbrechtliche Differenzierung nach Vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten aus. Der BGH verweist auf die in §§ 2047 Abs. 2, 2373 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, wonach auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten wie Tagebücher und persönliche Briefe Gegenstand des Nachlasses sind. Der BGH betont in seiner Entscheidung auch, dass Erben im Verhältnis zum Erblasser nicht als Dritte anzusehen sind, da sie gemäß § 1922 BGB vollständig die Rechtsposition des Erblassers einrücken und an dessen Stelle treten.
Für die Rechtsprechung besteht noch Klärungsbedarf
Inwieweit die Grundsätze des BGH zu sozialen Netzwerken eins zu eins auf einen „Gaming Account“ übertragbar sind, bedarf noch der endgültigen Klärung durch die Rechtsprechung. Dazu gehört auch die Frage, ob das Interesse des Betreibers einer Gaming-Plattform an einer Fortführung des Spiels auf dem erreichten Niveau - insbesondere bei Beteiligung weiterer Mitspieler - einen vertraglichen Ausschluss einer Übertragung im Wege der Erbfolge auf die Erben rechtfertigen kann und ob ein solcher Ausschluss auch wirksam durch AGB vereinbart werden könnte. In der Realität dürfte die Weiternutzung eines „Gaming Accounts“ durch Erben keine Seltenheit sein, da ein Wechsel in der Person des Nutzers des Accounts für die Plattformbetreiber i.d.R. nicht sofort ohne weiteres erkennbar ist.