Stalking mit Todesfolge - vier Jahre Haft wegen tödlichen Nachstellens


Stalking mit Todesfolge - tödliches Nachstellen

Zum zweiten Mal hat ein deutsches Gericht einen Stalker wegen Nachstellens mit Todesfolge verurteilt. Das LG Bochum hat dem ehemaligen Lebensgefährten des Opfers vorgeworfen, dieses in eine ausweglose Situation und damit in den Suizid getrieben zu haben.

Der erst im Jahr 2007 eingeführte und 2017 reformierte Stalking-Paragraf 238 StGB gehört zu den besonders schwierigen Tatbeständen des StGB. Nachdem die Gerichte in der Praxis zunächst eher vorsichtig in der Anwendung waren, werden die Verurteilungen inzwischen häufiger.

Grundtatbestand des Stalkings

Gemäß § 238 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer anderen Person nachstellt und dadurch deren Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. Die Handlung des Nachstellens beginnt bei ständiger, nicht gewünschter Überhäufung mit Geschenken, ständigen Telefonanrufen und Kontaktaufnahmen in sozialen Netzwerken gegen den erklärten Willen des Opfers und geht bis zum Auflauern des Opfers und strafrechtlich relevanten Tatbeständen wie Beleidigungen und tätlichen Angriffen.

Tatbestandsqualifikation: Wenn Stalking den Tod des Opfers verursacht 

§ 238 Abs. 2 StGB erhöht den Strafrahmen auf bis zu fünf Jahre Haft, wenn das Opfer oder eine diesem nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung gebracht wird.

Gemäß § 238 Abs. 3 StGB wird die Tat zum Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahre, wenn der Täter den Tod des Opfers oder einer diesem nahestehende Person verursacht. Verurteilungen von Tätern wegen Nachstellens mit Todesfolge sind äußerst selten, da diese Tatbestandsvariante eine Kausalität zwischen den Nachstellungen und dem anschließenden Tod des Opfers erfordert, die in der Praxis schwer nachzuweisen ist.

Wegweisende Stalking-Entscheidung des Landgerichts Bochum

Eine Verurteilung wegen Nachstellens mit Todesfolge hat nun das LG Bochum gewagt. Der Angeklagte hatte seiner ehemaligen Lebensgefährtin nach der Trennung über viele Monate beharrlich nachgestellt, sie teilweise zehnmal täglich angerufen und sie dabei schwer beleidigt. Auf der Straße hat der Angeklagte dem Opfer kontinuierlich aufgelauert und sie in der Öffentlichkeit als Schlampe tituliert. Auch auf den Balkon des Opfers ist der Angeklagte geklettert, um das Opfer zu erschrecken.

Schwere psychische Erkrankung als Stalkingfolge

Infolge der fortwährenden Nachstellungen entwickelte das Opfer schwerwiegende Depressionen und Angstzustände. Eine psychologische Behandlung des Opfers brachte keine durchgreifende Hilfe. Die Frau fühlte sich den Nachstellungen des Angeklagten hilflos ausgeliefert.

Einstweilige Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz, wonach dem Angeklagten verboten war, sich dem Opfer zu nähern oder dieses zu kontaktieren, beachtet der Angeklagte nicht. Auch mehrere Strafanzeigen und sogar Verurteilungen wegen Verletzung des Näherungsverbots zeigten keinerlei Wirkung. Schließlich wählte das Opfer als Ausweg den Suizid.

Psychologischer Sachverständiger bestätigte Mitverursachung

Ein psychologischer Sachverständiger hatte im Prozess erklärt, die aggressive Art der Nachstellungen habe den Suizid der ehemaligen Lebensgefährtin zumindest mitverursacht. Das Opfer habe ein Gefühl der Ausweglosigkeit gehabt, da der Angeklagte gerichtlich getroffene Gewaltschutzanordnungen strikt missachtet habe ebenso wie diverse Strafanzeigen. Der Sachverständige erkannte auf eine narzisstische Persönlichkeit des Angeklagten, der sein Opfer zermürben und zerstören wollte. Der Angeklagte habe auch schon in der Vergangenheit unter der krankhaften Vorstellung gelitten, seine Frauen stets zu isolieren und für sich ganz alleine haben zu wollen.

Stalker wollte die totale Macht über sein Opfer

Die Schwurgerichtskammer schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen an und warf dem Angeklagten ein besonders rücksichtsloses Verhalten vor. Er habe gewusst, dass eine Ex-Lebensgefährtin sich in einer schweren depressiven Krise befand und durch sein Verhalten äußerst verängstigt war.

Noch einige Tage vor ihrem Suizid habe der Angeklagte dem Opfer erklärt, er wolle es endgültig „fertig machen“. Die Ex-Lebensgefährtin habe aus ihrer Sicht keinen Ausweg mehr vor den Nachstellungen des Angeklagten gesehen und schließlich den Entschluss gefasst, sich durch die Einnahme einer Überdosis Antidepressiva in Verbindung mit dem übermäßigen Verzehr von Alkohol zu suizidieren. In einem Abschiedsbrief hatte sie erklärt, das Verhalten ihres ehemaligen Lebensgefährten habe ihr „den Rest gegeben.

Vier Jahre Gefängnis wegen Nachstellen mit Todesfolge

Das Urteil des Gerichts lautete vier Jahre Haft wegen Nachstellens mit Todesfolge. Der Angeklagte kann gegen das Urteil noch Revision einlegen. Aus der Untersuchungshaft wurde er mit Meldeauflagen entlassen.

(LG Bochum, Urteil v. 31.7.2019 II – 7 Ks 5/19)

Hintergrund

Bei dem Urteil des LG Bochum handelt es sich bundesweit um die zweite Verurteilung wegen Stalkings mit Todesfolge. Bereits im Jahr 2016 hatte das LG Stuttgart einen Angeklagten wegen dieses Delikts zu einer fünfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der BGH hat die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten verworfen (BGH Beschluss v. 15.2.2017,4 StR 375/16). Die Verurteilung hatte damals Furore gemacht, weil das Opfer den Selbstmord durch Erhängen erst ausübte, nachdem die Nachstellungen bereits seit acht Monaten aufgehört hatten. Die Frau war durch die Nachstellungen ähnlich dem Bochumer Fall psychisch schwer erkrankt, litt unter Depressionen, die auch acht Monate danach nicht enden wollten. Auch das damalige Opfer schrieb einen Abschiedsbrief, in welchen die Frau ihre Selbstmordabsicht auf die Depressionen infolge der Nachstellungen zurückführte. Der BGH hatte seinerzeit keine Zweifel an der Kausalität zwischen Stalking und Suizid.

Wie können sich Opfer schützen?

Stalking ist ein weit verbreitetes Phänomen. Nach Schätzungen sind 80-85 % der Opfer weiblich und ebenso viele Täter männlich. Häufig, aber nicht immer, bestand zwischen Täter und Opfer einmal eine Beziehung. Das Telefon (Handy) ist ein bevorzugtes Mittel der Tat.

  • In einfach gelagerten Fällen besteht die Möglichkeit, die Telefonnummer zu wechseln.
  • Ist die Identität des Täters unbekannt, so besteht gemäß § 101 TKG ein Anspruch auf Einrichtung einer Fangschaltung bei schlüssig vorgetragener Belästigung oder Bedrohung. Allerdings wird der Stalker über die Weitergabe der Information informiert. In den Fällen, in denen diese Unterrichtung des Stalkers zu schweren Nachteilen für das Opfer führen kann, kann dieses der Unterrichtung widersprechen.
  • Schließlich besteht die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach dem GewSchG (Kontaktverbot, Näherungsverbot, Unterlassungsverfügung). Darüber hinaus sollte ein Opfer möglichst frühzeitig Strafanzeige verbunden mit einem Strafantrag auch wegen möglicher Nebendelikte wie Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und ähnlichem stellen.
  • In extremen Fällen ist auch eine Namensänderung des Opfers möglich (VG Freiburg, Beschluss v. 9.1.2008, 4 K 2244/07).
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