Wer Professor und dazu auf Lebenszeit verbeamtet wird, verliert die Anwaltszulassung

Dies urteilte der BGH unter Beibehaltung seiner bisherigen Rechtsprechung im Fall einer zur Professorin ernannten Rechtsanwältin. Die Anwältin unterrichtete seit Dezember 2007 als Teilzeitlehrbeauftragte an einer Hochschule. Im Juli 2012 wurde sie in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen und übernahm eine volle Professorenstelle. Seit Juli 2017 ist sie Beamtin auf Lebenszeit.
Rechtsanwaltskammer widerruft Zulassung der Beamtin auf Lebenszeit / Professorin
Den nach ihrer Verbeamtung von der Rechtsanwaltskammer geforderten Verzicht auf ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft lehnte die Rechtsanwältin ab. Daher widerrief die Rechtsanwaltskammer die Zulassung zur Anwaltschaft im Juni 2017. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Rechtsanwältin sowie ihre Klage beim AGH waren vergeblich, ebenso ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das abweisende Urteil des AGH.
Zulassungsantrag für Berufung bedarf detaillierter, sorgfältiger Begründung
Der BGH stützte die Ablehnung des Zulassungsantrags auf § 112 e S. 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Nach diesen Vorschriften ist die Berufung nur zuzulassen, wenn
- die Streitigkeit grundsätzliche Bedeutung hat,
- d.h. eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann
- und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH Beschluss v. 29.12.2016, AnwZ 53/16).
Dabei muss der Antragsteller in der Begründung des Zulassungsantrags die Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit im Interesse der Allgemeinheit detailliert darlegen und erläutern, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die betreffende Rechtsfrage bisher umstritten ist (BGH, Beschluss v. 27.3.2003, V ZR 291/02).
Rechtsanwältin, die Professorin wurde, rügt Ungleichbehandlung
Die Klägerin machte in ihrem Zulassungsantrag geltend, der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO - Ernennung eines Rechtsanwalts zum Beamten auf Lebenszeit - verstoße gegen den Gleichheitssatz.
- Jeder Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich als Lehrbeauftragter und als Prüfer an Hochschulen tätig sein, ohne dass dies auf die Zulassung irgendeinen Einfluss hätte.
- Selbst nach Aufnahme eines Anwalts in ein Beamtenverhältnis auf Probe - wie bei ihr selbst geschehen - werde eine Zulassung üblicherweise nicht widerrufen.
- Erst mit der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit forderten die Anwaltskammern i.d.R. entweder den Verzicht auf die Zulassung oder erklärten den Widerruf.
Dies sei eine durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung eines Beamten auf Lebenszeit mit nicht verbeamteten Hochschullehrern.
Beamtenstatus und anwaltliche Unabhängigkeit passen nicht zusammen
Mit ihrer Argumentation drang die Klägerin beim BGH nicht durch. Nach Auffassung des Senats orientiert der Gesetzgeber die Widerrufsregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO bewusst allein am beamtenrechtlichen Status und nicht an Fragen der inhaltlichen Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit eines übertragenen Amtes mit dem Beruf des Rechtsanwalts (BGH, Beschluss v. 06.07.2009, AnwZ 52/08).
- Grund für diese monokausale Regelung sei eine vom Gesetzgeber gewünschte besondere Klarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Vereinbarkeit von beamtenrechtlichem Status und freiem Anwaltsberuf.
- Dies sei sachlich gerechtfertigt, denn das Beamtenverhältnis verpflichte den Beamten zu einer besonderen Treue gegenüber dem Staat.
- Diese Treueverpflichtung sei mit der von einem Rechtsanwalt geforderten Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren und stelle eine permanente Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit dar
- und sei damit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ein weiterer Grund für den Widerruf der Zulassung, der im übrigen auch schon bei einer Berufung zum Beamten auf Probe einschlägig sei.
Keine Verletzung von Grundrechten durch Widerruf der Anwaltszulassung
Mit ähnlicher Argumentation lehnte der BGH auch die von der Klägerin gerügte Verletzung ihrer Grundrechte ab. Auf einzelne Grundrechte ging der BGH dabei nicht ein, da die Klägerin es versäumt habe, widersprüchliche Urteile oder Ansichten zur bisher einheitlichen Rechtsprechung des BGH darzulegen. Die Rechtsprechung habe bisher stets eine Verletzung von Grundrechten durch die Widerrufsregelung des §14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO abgelehnt (BGH Beschluss v. 10.10.2011, AnwZ (B) 10/10).
Funktionierende Rechtspflege rechtfertigt die Widerrufsregelung
Nach der Entscheidung des BGH ist im Ergebnis die Verfolgung des wichtigen Gemeinwohlbelangs einer funktionierenden Rechtspflege eine hinreichende Rechtfertigung für den Gesetzgeber, allein den Status eines auf Lebenszeit ernannten Staatsbeamten zum Anlass für den zwingenden Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu nehmen. Die getroffene Entscheidung des Gesetzgebers stehe im Ermessen des staatlichen Gesetzgebers und verstoße deshalb auch nicht gegen die Vorschriften der EMRK oder gegen sonstiges europäisches Recht.
Zulassungsantrag für eine Berufung unzureichend begründet
Der BGH rügte deutlich, dass die Klägerin sich in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung mit der gefestigten Rechtsprechung des BGH inhaltlich nicht wirklich auseinandergesetzt und es versäumt habe, abweichende Ansichten in der Rechtsprechung oder in der Fachliteratur darzulegen. Damit sei der Antrag auf Zulassung der Berufung im Ergebnis schon mangels hinreichender Begründung für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zurück zu weisen.
BGH, Beschluss v. 26.02.2019, AnwZ 49/18
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Hintergrund:
BGH, Beschluss vom 10.10.2011 - AnwZ(B) 10/10:
"Wie der Senat - vom BVerfG bestätigt - vielfach ausgeführt hat, verletzt der in § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO vorgesehene Widerruf der Anwaltszulassung bei Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht die in Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Berufungswahl (st.Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 26.06.1984 - AnwZ (B) 3/84).
- Zwar ist ein Eingriff in dieses Grundrecht, das auch das Recht umfasst, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (BVerfGE 87, 287 [316]), nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 97, 12 [26]; BVerfG NJW 2007, 2317).
- Jedoch lässt Art. 12 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber Spielraum, Berufsbilder durch generalisierende Inkompatibilitätsvorschriften zu normieren (BVerfG JZ 1984, 1042; NJW 1988, 2525; vgl. auch BVerfGE 75, 246 [265 f.]).
- Der Gesetzgeber überschreitet danach die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht, wenn er den beamteten Professor im Interesse des Gemeinwohls auf die unparteiische Wahrnehmung der Aufgaben in Forschung und Lehre verpflichtet, während er den Beruf des Rechtsanwalts als einen vom Staat grundsätzlich unabhängigen, freien Beruf ausgestaltet (vgl. BVerfG, JZ 1984, a.a.O.; NJW 1988, a.a.O.)."
Aus: Deutsches Anwalt Office Premium
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