Jugendlicher nach Unfall beim Kitesurfen querschnittsgelähmt
Ein junger Mann, der sich - animiert von Freunden – im Kitesurfen versucht, bezahlt seine Abenteuerlust mit einer Querschnittslähmung. Wer ist verantwortlich für dieses traurige Ereignis, das sich am Strand von Kijduin in den Niederlanden ereignete? Tragen die Freunde, die den jungen Mann begleiteten, eine Mitschuld? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Hamm zu beschäftigen.
Keinerlei Erfahrung im Kitesurfen
Der zum Unfallzeitpunkt 16 Jahre alte Kläger war mit den beiden Beklagten sowie deren Streithelfer in die Niederlande gefahren. Er hatte keinerlei Erfahrung im Kitesurfen, sondern verfügte nur über einen vier Quadratmeter großen Lenkdrachen, mit dem er sich am Strand auf einem Board über den Sand ziehen lassen konnte.
Am Vormittag des Unfalltages bot die damals 26-Jährige Beklagte, deren Erfahrung sich mit dem Kitesurfen auf einen dreitägigen Einführungskurs beschränkte, dem Kläger ihren ca. 7 Quadratmeter großen Kite zum Üben an. Der zweite Beklagte, ein 28-Jähriger, richtete den Schirm auf, um dem Kläger Starthilfe zu geben. Beim Startversuch wurde der 16-Jährige von einer Windböe erfasst und prallte gegen eine Strandbude, die vom Startplatz etwa 50 Meter entfernt war.
Hatten Freunde den Unfall schuldhaft herbeigeführt?
Der schwerverletzte Kläger machte geltend, dass die Beklagten Freunde den Unfall schuldhaft herbeigeführt hätten.
Sie hätten ihn als Anfänger bei der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Windstärke (fünf bis sechs) nicht starten lassen dürfen.
Der Startplatz in unmittelbarer Nähe der Strandbuden sei zudem gänzlich ungeeignet gewesen.
Das Landgericht Essen hatte die Klage in der Vorinstanz bereits abgewiesen. Der Kläger habe sich eigenverantwortlich selbst gefährdet. Die Beklagten hätten über kein überlegenes Sachwissen verfügt. Das OLG Hamm wies die Berufung des Klägers zurück. Eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB für die eingetretene Körperverletzung des Klägers lässt sich nicht feststellen.
Eigenverantwortliche Selbstgefährdung nicht stichhaltig
Zwar sah das OLG, abweichend vom LG, dass die Beklagten durch ihre Starthilfe den Geschehensablauf in Gang gesetzt hatten, der zur Verletzung geführt hatte. Auch könne eine Haftung der Beklagten nicht mit dem Gesichtspunkt einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ausgeschlossen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das Mitverschulden eines Kindes oder Jugendlichen in der Regel geringer zu bewerten als bei einem Erwachsenen.
Kein pflichtwidriges oder schuldhaftes Verhalten nachweisbar
Die Klage könne aber deshalb keinen Erfolg haben, weil ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht sicher festgestellt werden konnte. Weder die Windstärke noch der Startplatz nahe der Strandbude waren so offensichtlich ungeeignet für einen Start, dass die beiden beklagten Anfänger hier hätten einschreiten oder abraten müssen.
(OLG Hamm, Urteil v. 10.12.2012, I 6 U 57/12).
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