Keine AGB-Kontrolle für Ärztliches Aufklärungsformular
Empfehlung einer Untersuchung zur Glaukom-Früherkennung
Erkennt man den „Grünen Star“, ein sog. Glaukom, in einem frühen Stadium, kann ein irreparabler Schaden verhindert werden. 2,4 % der Menschen über 40 sind betroffen, im fortgeschrittenen Alter mehr. Die Untersuchung kostet 20 Euro und wird nicht von den Krankenkassen bezahlt. Das in etwa ist die Essenz der zweiseitigen Patienteninformation, die mit der Unterschrift und einem Kreuz entweder bei dem Untersuchungswunsch oder der Ablehnung dem Augenarzt zurückzugeben war.
Verbraucherschutzverband klagte auf Unterlassung
Der klagende Verband wollte, dass die Klausel
Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.
sowie die Klausel mit dem anzukreuzenden Zusatz
Ich wünsche zur Zeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung.
künftig nicht mehr verwendet werden.
Ärztliche Aufklärung, die nur auf dem Papier erfolgt ist?
Der Verband wollte die Klauseln im Patientenformular aus dem Verkehr gezogen wissen, weil es sich dabei um eine unzulässige Tatsachenbehauptung handele (§ 309 Nr. 12 Halbsatz 1 b BGB). Zudem werde der Patient psychologisch unter Druck gesetzt, weil er sich mit dem Kreuz an der „Nein, danke“-Stelle dem ärztlichen Rat offen widersetzen müsse. Die Verbraucherschützer erblickten in dem Formular daher auch ein unzulässiges Drängen zur Behandlung (§ 4a UWG).
Rechtliche Sonderbehandlung der ärztlichen Aufklärung
Keinen dieser Angriffspunkte ging der BGH mit. Das Formular hat er zwar als AGB qualifiziert.
Für die ärztliche Aufklärung würden jedoch eigenständige Regeln gelten, und zwar nicht erst seit dieser Entscheidung. Diese Sonderregeln erfassten auch die Beweislast, die in diesem Fall zum Patienten hin verschoben werden soll und laut BGH auch darf.
AGB ohne Tor zu den gesetzlichen AGB-Kontrollmechanismen
Zu den Aufklärungspflichten im Rahmen des Behandlungsvertrags sagt das Gesetz u.a. dass dem Patienten Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen sind (§ 630 e Abs. 2 S. 2 BGB). Diese Regelung hätte keinen Anwendungsbereich, so der BGH, ließe man die Patientenformulare an § 309 Nr.12 Halbsatz 1 b BGB scheitern. Die beanstandete Klausel weiche nicht von Rechtsvorschriften ab, ergänze sie auch nicht, weshalb der Weg zur AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle verschlossen bliebe.
Nicht zu formalistisch an die ärztliche Aufklärung herangehen
Der BGH setzt mit dieser Entscheidung seine großzügige Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung fort, wonach an sie keine unbilligen, übertriebenen Anforderungen zu stellen sind. Maßgeblich sind die jeweiligen tatsächlichen Umstände wie z.B.
- die übliche Beratungspraxis oder
- Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt oder eben
- ein Aufklärungs- oder Einwilligungsformular für den Patienten, wobei es noch nicht mal so sehr darauf ankomme, ob das unterschrieben ist oder nicht.
Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes nicht hilfreich
Den Vorwurf einer „aggressiven geschäftlichen Handlung“ winkt der BGH u.a. mit dem Hinweis auf die Rechtsfolge ab, die keine Abhilfe schaffen würde. Diese bestünde nämlich in der Unwirksamkeit der Klausel bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der verbleibenden Patienteninformation. Die unzulässige Beeinflussung sei damit nicht eliminiert.
BGH, Urteil v. 2.9.2021 (III ZR 63/20)
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