Verbot der Mahnwache von Abtreibungsgegnern vor "pro familia"-Beratungsstelle bestätigt
Mit dem Urteil in der Hauptsache hat das VG Karlsruhe seine zuvor bereits in einem Eilverfahren ergangene Entscheidung bestätigt. In beiden Verfahren hat das Gericht die Untersagung einer von – zum Teil religiös motivierten - Abtreibungsgegnern geplanten 40-tägigen Mahnwache unmittelbar gegenüber dem Gebäude der Beratungsstelle von pro familia für rechtmäßig erklärt.
40 Tage Mahnwache vor pro familia - Beratungsstelle geplant
Die Antragstellerin hatte in Pforzheim unmittelbar gegenüber dem Gebäude der pro Familia-Beratungsstelle für den Zeitraum 6.3.2019 bis 14.4.2019 jeweils von 9 bis 13:00 Uhr eine Mahnwache geplant, die sich kritisch mit der Tätigkeit von pro familia auseinandersetzt. Die Mahnwache sollte unter dem Motto „40 days for life / Lebensrecht ungeborener Kinder“ stattfinden.
Behörde untersagt Mahnwache und ordnet sofortige Vollziehung an
Die Versammlungsbehörde der Stadt Pforzheim hat die Versammlung zeitlich und örtlich beschränkt. Die Antragsgegnerin untersagte die Mahnwache unmittelbar in Sichtweite zum Gebäude von pro familia während der Beratungszeiten Montag bis Freitag 7:15 Uhr bis 18:00 Uhr. Die Stadt ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch ein. Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung hatte dieser jedoch keine aufschiebende Wirkung.
VG verweigert Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
Der Antragstellerin beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Das VG lehnte dies ab. Nach Auffassung des VG waren die von der Stadt ausgesprochenen Versammlungsbeschränkungen im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung voraussichtlich rechtmäßig. Diese Einschätzung hat das VG nun mit Urteil im Hauptverfahren bestätigt.
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten
Das VG bewertete die Verfügung der Stadt zunächst als Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Meinungs- und Religionsfreiheit der Antragstellerin. Dem stehe allerdings eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Frauen in einer Schwangerschaftskonfliktsituation gegenüber, die die Schwangerschaftsberatungsstelle von pro familia aufsuchen wollten. Diese würden durch die in unmittelbarer Gebäudenähe von pro familia geplante Mahnwache möglicherweise eingeschüchtert. Es sei nicht auszuschließen, dass beratungswillige Frauen von dem Eintritt in das Gebäude von pro familia Abstand nehmen würden, weil ihnen diese Situation unangenehm sei.
Gefährdung des Konzepts der Schwangerenberatung
Das VG befürchtete daher, dass die blockadeartige Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Eingang der Beratungsstelle das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nachhaltig beeinträchtigen könnte. Frauen, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden, dürften keinem Spießrutenlauf zwischen Abtreibungsgegnern ausgesetzt werden, bevor sie die Beratungsstelle betreten.
Unter Würdigung der Rechte aller Beteiligten sei davon auszugehen, dass die geplante Mahnwache über einen so langen Zeitraum im Ergebnis zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führe.
Schwangerenkonfliktberatung geht vor
Vor diesem Hintergrund bejahte das VG bereits im Eilverfahren ein sofortiges Vollziehungsinteresse an der Untersagungsverfügung. Es sei nicht angemessen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen und damit den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Vielzahl betroffener Frauen bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Verfügung zurücktreten zu lassen, obwohl die Verfügung aller Voraussicht nach rechtmäßig sei.
Meinungsfreiheit muss zurücktreten
Nun hat das VG auch im Hauptsacheverfahren entschieden, dass das Persönlichkeitsrecht schwangerer Frauen eine zeitlich und örtlich begrenzte Einschränkung des Demonstrations- und Versammlungsrechts rechtfertigen könne. Im Wege der praktischen Konkordanz sei im konkreten Fall dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Schwangeren Vorrang vor dem Interesse der Klägerin an der Ausübung ihres Rechts auf Religions- und Meinungsfreiheit einzuräumen.
Untersagung der Mahnwache war verhältnismäßig
Das Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit werde auch deshalb nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt, weil die Untersagungsverfügung lediglich die Demonstration in unmittelbarer Nähe zur Beratungsstelle und nur während deren Öffnungszeiten untersage. Diese zeitliche und örtliche Beschränkung sei zumutbar, denn außerhalb dieser Eingrenzung könne die Klägerin ihre Meinung frei äußern.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann mit der Berufung vor dem VGH Baden-Württemberg angefochten werden.
(VG Karlsruhe, Beschluss v. 12.4.2019, 2 K 1979/19 und Urteil v. 12.5.2021, 2 K 5046/19).
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