OVG bestätigt bundesweites Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern
Die Entscheidungen der beiden Oberverwaltungsgerichte betreffen zwar unterschiedliche Sachverhalte, nämlich einmal den Verkauf von Feuerwerkskörpern in der Vorsilvesterzeit und zum zweiten das Abbrennen von Pyrotechnik in der Silvesternacht. Die Entscheidungen lassen aber dennoch eine unterschiedliche Einschätzung der mit einem Silvesterfeuerwerk verbundenen Gefahren durch die beiden Oberverwaltungsgerichte erkennen.
Pyrotechnikhersteller klagen gegen Böller-Verkaufsverbot
Der aus Halle stammende Feuerwerker „Pyro-Rob“ sowie weitere Pyrotechnik-Hersteller sind über zwei Instanzen mit ihren Anträgen gescheitert, das bundesweit geltende Verbot des Verkaufs von Feuerwerkskörpern zu kippen.
Verkaufsverbot beruht auf einer sprengstoffrechtlichen Bundesverordnung
Das Verbot ist bundesweit durch Bundesinnenminister Seehofer verhängt worden. Mit der Änderung der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz ist das Verbot am 22.12.2020 in Kraft getreten. Danach dürfen pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 (Raketen und Böller) in der Zeit vom 29. bis 31. Dezember nicht öffentlich verkauft werden. Mehrere Hersteller von Pyrotechnik hatten beim VG Berlin beantragt, die Vorschrift außer Vollzug zu setzen und waren bereits erstinstanzlich gescheitert. Die hiergegen eingelegten Beschwerden waren erfolglos.
Entlastung des durch Corona angespannten Gesundheitssystems von üblichen Böller-Verletzungen
Nach den Feststellungen des OVG beinhaltet das bundesweite Verbot eine
- gravierende Einschränkung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der Antragsteller, die einen erheblichen Teil ihrer Jahresumsätze durch den Verkauf von Feuerwerkskörpern in der Vorsilvesterzeit generieren.
- Dem stünde der mit der Verordnung verfolgte legitime Zweck gegenüber, einer übermäßigen Belastung der medizinischen Versorgungssituation in den Krankenhäusern entgegenzuwirken.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sei damit zu rechnen, dass auch in diesem Jahr der Verkauf von Feuerwerkskörpern in nicht unerheblichen Umfang zu unsachgemäßen Gebrauch und in der Folge zu einer Reihe von Verletzungen führen würde.
Hierdurch würde das ohnehin durch die Behandlung zahlreicher Covid-19-Patienten in Anspannung befindliche Krankenhauspersonal zusätzlich belastet.
Klärung der Rechtsfrage im Eilverfahren nicht möglich
Im Rahmen einer Rechtsfolgenabwägung war es nach Auffassung des OVG nicht möglich, im Rahmen eines Eilverfahrens eine endgültige Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bundesweiten Verkaufsverbots vorzunehmen. Dies gehe zulasten der Antragsteller, da unter Berücksichtigung des Zieles des Verordnungsgebers, das überragende Rechtsgut der Gesundheit zu schützen, die Gefahr einer Vereitelung dieses Ziels bei einer Stattgabe der Anträge im Eilverfahren zu hoch sei. Eine Klärung der Rechtsfragen sei nur in einem ausführlichen Hauptverfahren möglich, ein Eilverfahren sei hierfür ungeeignet. Das OVG wies die Eilanträge daher ab.
(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.12.2020, 11 S 134.20)
OVG Lüneburg hob Landesverbot auf und wertete anders
Das OVG Lüneburg hatte kurz zuvor das komplette, flächendeckende Verbot für das Abbrennen von Feuerwerk für das Land Niedersachsen gekippt. Das dortige Pauschalverbot war dem Gericht zu undifferenziert, da es auch
- Kleinst- und Jugendfeuerwerke,
- Wunderkerzen,
- Knallerbsen,
- und Tischfeuerwerk umfasste.
Ein solch umfassendes Feuerwerksverbot sei keine objektiv notwendige Infektionsschutzmaßnahme, die von §§ 32, 28 IfSG gedeckt sei. Es entspreche nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da es in dieser Form nicht erforderlich sei, um das infektionsrechtlich legitime Ziel des Schutzes vor dem SARS-CoV-2-Virus zu erreichen.
Überlastung des Gesundheitssystems kaum zu befürchten
Die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems infolge von Verletzungen durch unsachgemäßen Gebrauch von Feuerwerkskörpern schätzte das OVG - im Gegensatz zum OVG Berlin-Brandenburg - als nicht besonders hoch ein. Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, dass die Behandlung der durch unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerkskörpern hervorgerufenen Verletzungen regelmäßig nur eine kurzzeitige medizinische Versorgung erfordert habe, eine nachhaltige Bindung medizinischer Behandlungskapazitäten sei daher eher nicht zu befürchten.
Gefahr von Personenansammlungen kann anders abgewendet werden
Nach Auffassung des OVG Lüneburg besteht auch kein Erfahrungssatz, dass das Abbrennen von Feuerwerk grundsätzlich und überall zu unerwünschten Personenansammlungen führt. Größere Menschenansammlungen seien nach der niedersächsischen Coronaschutzverordnung ohnehin bereits verboten. Eines zusätzlichen Feuerwerksverbots bedürfe es in diesem Zusammenhang nicht.
Pauschalverbot in mehrfacher Hinsicht unverhältnismäßig
Im Ergebnis war nach Einschätzung des Gerichts das Pauschalverbot unverhältnismäßig, weil
- ein Verbot von Feuerwerkskörpern der Kategorie F1 (Jugendfeuerwehr, Wunderkerzen, Knallerbsen, die ab dem zwölften Lebensjahr von Jugendlichen erworben werden dürfen) unter infektionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich ist,
- die flächendeckende Erstreckung auf das gesamte Land ohne die Einschränkung auf besonders belebte öffentliche Straßen oder Plätze überzogen ist.
Pauschalverbot vorläufig außer Vollzug gesetzt
Da das Verbot, gravierende wirtschaftliche negative Auswirkungen für Unternehmen habe, die pyrotechnische Gegenstände erzeugen oder vertreiben, steht das pauschale Verbot in keinem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten infektionsrechtlichen Ziel. Das Gericht setzte das Verbot daher vorläufig außer Vollzug.
(OVG Lüneburg, Beschluss v. 18.12.2020 20, 13 MN 568/20).
Niedersächsische Coronaschutzverordnung inzwischen geändert
Die niedersächsische Landesregierung hat inzwischen reagiert und § 10 a der niedersächsischen Coronaschutzverordnung der gerichtlichen Entscheidung angepasst. Das Feuerwerksverbot wurde auf belebte Straßen und Plätzen der Innenstädte, die von den Kommunen im einzelnen näher definiert werden können, beschränkt.
Hintergrund:
Die Auswirkungen der pyrotechnischen Verbote auf die Berufsausübungsfreiheit sind nicht zu unterschätzen. Im Jahr 2019 hat die pyrotechnische Industrie einen Umsatz von 133 Millionen Euro erwirtschaftet. Seit Jahren üben allerdings nicht nur Umweltschützer Kritik.
Die Belastung der Umwelt durch Feinstaub, aber auch die Belastung der Tierwelt durch die laute Knallerei und nicht zuletzt die Gefährdung von Bauwerken stehen als Argumente gegen die Jahresabschlussknallerei im Raum. Die DUH beziffert die Feinstaubbelastung in einer normalen Silvesternacht in Deutschland auf 5.000 t innerhalb weniger Stunden. Einige große Handelsketten, wie die Baumarktkette Hornbach, aber auch Einzelhandelsketten wie REWE und Edeka haben bereits reagiert und wollen auch in künftigen Jahren keine Pyrotechnik mehr in ihre Regale räumen. Ob dies die ersten Schritte zu einem raketenfreien Silvester 2.0 in Deutschland sind, muss sich erst noch erweisen.
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