Entfernung eines pädophilen Polizisten aus dem Dienstverhältnis
Das BVerwG hatte über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis von drei Polizeibeamten aus Thüringen (Kriminalhauptkommissar), Brandenburg (Kriminalkommissar) und Berlin (Kriminalhauptkommissar) zu entscheiden. Auf privaten Datenträgern hatten die Beamten kinderpornographisches Material gespeichert. Der Streifenpolizist aus Brandenburg hatte das Material auch weitergegeben und wurde deshalb zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Polizist aus Berlin erhielt eine Geldstrafe, das weitere Verfahren gegen den Thüringer Polizisten wurde gegen Geldauflage eingestellt.
Vertrauen der Bevölkerung darf nicht zerstört werden
Die Anstellungskörperschaften waren in sämtlichen drei Fällen der Auffassung, die Polizisten nicht mehr im Amt halten zu können. Die daraufhin angestrengten Disziplinarklageverfahren führten zur Entfernung aus dem Beamtendienst. Die Problematik der Verfahren bestand im Wesentlichen in der Frage, ob dem privaten Verhalten der Polizeibeamten ein dienstlicher Bezug zukommt. Nach Ansicht der Anstellungskörperschaften war der Dienstbezug dadurch gegeben, dass ein Vertrauen der Bevölkerung in Polizeibeamte, die ihre pädophilen Neigungen durch Anschauen von Kinderpornos ausleben, nicht existieren kann. Man stelle sich nur vor, eine Anzeige wegen Kinderpornographie landet ausgerechnet auf dem Tisch eines Beamten, der gleichgerichtete Straftaten in seiner Freizeit selbst begeht.
Das Bild vom vorbildlichen Beamten unterliegt dem Wandel
Das BVerwG gab den Behörden recht. Die Richter des BVerwG stellten allerdings klar, dass das Bild des Beamten sich in der Öffentlichkeit deutlich geändert habe. Die Gesellschaft erwarte von einem Beamten nicht mehr unbedingt ein besonderes, auch außerdienstlich vorbildhaftes Sozialverhalten. Außerdienstliche Verfehlungen würden in gewissem Umfange toleriert, wenn diese sich nicht negativ auf die Funktion des jeweiligen Beamten auswirken. Außerdienstliche Verfehlungen rechtfertigen nach Ansicht der Bundesrichter daher nur unter besonderen Voraussetzungen disziplinarische Maßnahmen.
Besitz von Kinderpornographie hat stets Amtsbezug
Diese allgemein gelockerte Auffassung der Gesellschaft erfahre aber Ausnahmen, wenn eine Straftat in einem besonderen Bezug zum Beamtenstatus stehe. Die Gesellschaft unterscheide auch sehr wohl nach der Funktion, die der jeweilige Beamte ausübe. Besonders einem Polizeibeamten komme immer noch eine Vorbildfunktion in bestimmten Bereichen zu. Insbesondere werde von einem Polizeibeamten erwartet, dass er selbst keine schweren Straftaten begeht. Der Besitz kinderpornographischer Bild- und Videodateien sei sowohl nach der bisherigen bis 2014 geltenden als auch nach der neuen Gesetzeslage strafbar (§184b StGB). Mit dem Status eines Polizeibeamten sei ein Fehlverhalten in diesem Bereich - und sei es auch noch so privat - nur schwer vereinbar. Der private Besitz von kinderpornographischem Bild- oder Videomaterial hat bei Polizeibeamten nach dem BVerwG stets den für eine disziplinarische Ahndung erforderlichen Amtsbezug.
Strafrechtliche Verurteilung hat nur Indizwirkung
Weiter kann einer strafrechtlichen Verurteilung in diesem Kontext zwar Indizwirkung zukommen, insbesondere wenn eine Freiheitsstrafe verhängt wurde. Da das Strafrecht grundsätzlich jedoch eine andere Zielrichtung habe als das beamtenrechtliche Disziplinarrecht, sei die Schwere des Verstoßes beamtenrechtlich gesondert festzustellen. Vorliegend sahen die Bundesrichter die Voraussetzungen als erfüllt an, da die von den Beamten gespeicherten Inhalte besonders verabscheuenswürdig waren und die Zahl der gespeicherten Dateien erheblich war. Vor dem Hintergrund, dass die Aufgabe der Polizei die Verhinderung, die Aufklärung und die Verfolgung und nicht das Begehen von Straftaten sei, seien die festgestellten Verhaltensweisen der Beamten hier nicht tolerabel.
Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld
Besonders widmeten die Richter sich dem Polizeibeamten, bei dem das Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. Da das Strafgericht hier von einer geringen Schuld ausgegangen war, ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Auffassung der Verwaltungsrichter zumindest nicht zwingend. Grundsätzlich seien auch andere disziplinarrechtliche Maßnahmen (z. B. eine Versetzung) in Betracht zu ziehen. So hatte das OVG Lüneburg in einem Fall, in dem ein Polizeibeamter über 400 kinderpornographische Dateien gespeichert hatte, diesem die Ruhebezüge aberkannt (Niedersächsisches OVG, Urteil v. 12.3.2013, 6 LD 4/11). Im Fall des Polizeibeamten aus Thüringen bestand die Besonderheit, dass dem betreffenden Beamten eine weitere schwerwiegende Pflichtverletzung vorzuwerfen war: Er hatte den Dienst-Computer dazu missbraucht, unbefugt personenbezogene Daten minderjähriger Mädchen abzufragen. Auf dieser Grundlage war das Vertrauen des Dienstherrn in die pflichtgemäße Dienstausübung des Beamten endgültig zerstört. Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis aller drei Beamten sahen die Verwaltungsrichter daher im Ergebnis als gerechtfertigt an.
(BVerwG, Urteile v. 19.6.2015, 2 C 9.14; 2 C 19.14; 2 C 25.14).
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