Schutzgelderpressung: als Gefahrerhöhungsmoment meldepflichtig
Der Versicherer übernimmt im Versicherungsvertrag die Gefahrtragung für eine konkret bestimmte Gefahr. Dies ist Geschäftsgrundlage seiner Leistungsverpflichtung. Tritt nach Abschluss des Versicherungsvertrags eine Erhöhung der Gefahr ein, hat das Rechtsfolgen.
Der Versicherungsnehmer darf nicht nur ohne Einwilligung des Versicherers keine Erhöhung der Gefahr vornehmen. Sofern er Kenntnis davon erlangt, dass sich die Gefahr erhöht ist, muss erdem Versicherer unverzüglich Anzeige zu erstatten. Ein Gastwirt in Hamburg hatte sein Lokal durch eine Gastronomieversicherung umfassend gegen Diebstahl- und Vandalismusschäden abgesichert. Im Sommer des Jahres 2006 erhielt er mehrere anonyme Anrufe. Der Anrufer bot gegen eine monatliche Zahlung von 750 EUR umfassenden Schutz an. Passieren könne ja immer etwas, fügte er seinen Anrufen hinzu. Der Gastwirt blieb standhaft und zahlte nicht. Im März 2007 wurde das Lokal überfallen und ausgeraubt. Die Versicherung ersetzte den Schaden, war vom Gastwirt über die vorausgegangenen Anrufe aber nicht informiert worden.
Zwei Tage nach dem Einbruch wiederholten sich die Anrufe. Der Anrufer bezog sich ausdrücklich auf den Einbruch. Nach weiterer Zahlungsverweigerung des Gastwirts erhielt die Gaststätte im Juni 2007 erneut ungebetenen Besuch. Diesmal wurde die Einrichtung in Kleinholz verwandelt und umfangreich Lackfarbe versprüht. Der Schaden belief sich auf knapp 150 000 EUR. Als der Gastwirt der Versicherung die gesamten Zusammenhänge offen legte, verweigerte diese den Schadensersatz und kündigte den Versicherungsvertrag. Die Gerichte gaben ihr über 3 Instanzen Recht.
Nach Auffassung des BGH hätte der Gastwirt der Versicherung die Erpressungsversuche anzeigen müssen. Nach § 27 VVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, der Versicherung eine Meldung zu machen, sobald sich die versicherte Gefahr erkennbar erhöht. Diese Meldepflicht trifft den Versicherungsnehmer nach Auffassung des BGH (Urteil v 06.06.2010, IV ZR 229/09) auch dann, wenn die Gefahrerhöhung durch vorsätzliches kriminelles Verhalten Dritter eintritt. Ebenso wie der Versicherungsnehmer habe ja auch die Versicherung hierauf keinen Einfluss. Zwar trete die Meldepflicht erst dann ein, wenn eine gewisse Dauer und Nachhaltigkeit der Gefahrerhöhung zu verzeichnen sei. Dies sei vorliegend aber spätestens nach dem ersten Einbruch und dem darauf bezogenen nochmaligen Erpressungsversuch der Fall gewesen.
Balance von Prämienaufkommen und Versicherungsleistung
Zur Wahrung des insofern erforderlichen Gleichgewichts, sei die Versicherung darauf angewiesen, bestehende Gefahrenlagen einigermaßen realistisch einzuschätzen. Das Versicherungsvertragsgesetz verpflichte den Versicherungsnehmer daher zu Recht, der Versicherung seine diesbezüglichen Kenntnisse zu übermitteln. Grundlage der Mitteilungspflicht sei daher jede objektive Erhöhung der Gefahrenlage, gleichgültig auf welchem Grund sie basiere.
Der BGH hatte den Fall noch auf Grundlage des bis 2008 geltenden VVG zu entscheiden. An den Mitteilungspflichten hat sich nach neuem Recht zwar nichts Grundlegendes geändert, jedoch sind die Rechtsfolgen bei Verletzungen der Obliegenheitspflichten des Versicherungsnehmers nun flexibler gestaltet. Während der BGH nach altem Recht nur auf völligen Wegfall der Schadensersatzansprüche erkennen konnte, wäre nach neuem Recht unter Würdigung sämtlicher Umstände des Falls auch eine anteilige Schadensregulierung durch die Versicherung denkbar.
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