Bundesrat billigt Freiheitsstrafe für Gafferfotos von Unfallopfern und Upskirting
Die Persönlichkeitsrechte zum Schutz vor ungewollten Foto- und Videoaufnahmen werden gestärkt. Der Bundesrat hat den Weg zur Einführung der neuen Strafvorschriften mit Beschluss freigemacht. Die Verletzung der Intimsphäre sowie die Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Verstorbenen waren nach geltendem Recht in Deutschland strafrechtlich bisher nur lückenhaft geregelt.
- Das Fotografieren unter das Kleid oder in den Ausschnitt einer Frau war bisher allenfalls als Ordnungswidrigkeit verfolgbar,
- die Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Unfallopfern durch sensationslüsterne Fotos stand nur bei überlebenden Unfallopfern unter Strafe, nicht dagegen, wenn das Unfallopfer verstorben war.
Besserer Persönlichkeitsschutz für Unfallopfer
Am 3.7.2020 hat der Bundestag nun das bereits im November 2019 vom Bundeskabinett beschlossene „Gesetz zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen“ beschlossen. Danach werden nun das „Upskirting“ (Fotografieren unter den Rock), das „Downblousing“ (Fotografieren in den Ausschnitt) sowie das Fotografieren von Unfallopfern aus Sensationslust unter Strafe gestellt. Mit der Reform sollen nun die beiden, in den letzten Jahren immer deutlicher werdenden Strafbarkeitslücken geschlossen werden. Der Bundesrat hat die Reform nun gebilligt.
Bisherige Gesetzeslücke: Kein Persönlichkeitsschutz für verstorbene Unfallopfer
Die erste nun geschlossene Strafbarkeitslücke betrifft den postmortalen Persönlichkeitsschutz von Unfallopfern. Die aktuell geltende Strafnorm des 201 a StGB stellt zwar die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen grundsätzlich unter Strafe, die Vorschrift schützt jedoch nur lebende Personen und sieht keine Strafen für die unbefugte Anfertigung von Fotoaufnahmen vor, bei denen die abgebildete Person zum Zeitpunkt der Bildaufnahme bereits verstorben ist. Es fehlt jeglicher postmortale Persönlichkeitsschutz.
Der Schutzbereich von § 201 a StGB wird erweitert
Der Geltungsbereich der Vorschrift wird künftig bereits durch eine Ergänzung der Überschrift erweitert, indem der Schutzbereich nicht mehr nur den höchstpersönliche Lebensbereich, sondern auch den Schutz von Persönlichkeitsrechten umfasst.
Postmortaler Persönlichkeitsschutz von Unfallopfern
In § 201 a Nr. 3 n.F. wird als neuer Straftatbestand das unbefugte Herstellen sowie die Verbreitung einer
„Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt“,
aufgenommen. Das Tatbestandsmerkmal „in grob anstößiger Weise“ soll sicherstellen, dass sozialadäquate Bildaufnahmen wie zum Beispiel die Anfertigung von Fotografien im Zuge von Trauerfeierlichkeiten oder durch das öffentliche Interesse gedeckte Pressefotos vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen werden.
Strafbarkeitslücke: Voyeuristische Fotos des Intimbereichs von Frauen
Die zweite Strafbarkeitslücke sieht der Gesetzgeber darin, dass voyeuristisches Fotografieren des Intimbereichs von Frauen bisher nicht unter Strafe steht und in der Regel allenfalls als Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG (Belästigung) verfolgt werden kann.
Die Einordnung unbefugter Fotoaufnahmen als sexuelle Belästigung im Sinne von § 184 i StGB scheitert in der Regel daran, dass dieser Tatbestand eine körperliche Berührung voraussetzt und auch der Tatbestand der Beleidigung gemäß § 184 StGB häufig nicht erfüllt ist, weil es an der erforderlichen besonderen Missachtung oder Herabwürdigung der Persönlichkeit des Opfers fehlt.
„Upskirting“ und „Downblousing“ als eigenständige Straftatbestände
Mit der Neufassung des § 201a Nr. 4 StGB wird die Herstellung sowie die Verbreitung einer
„Bildaufnahme von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterbekleidung“
unter Strafe gestellt. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, riskiert eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
Auch Transgender-Brüste werden erfasst
In der Gesetzesbegründung weist die Bundesregierung ausdrücklich darauf hin, dass sich das Adjektiv „weiblich“ lediglich auf den Körperteil „Brust“ und nicht auf die Person als solche bezieht, d.h. der Tatbestand soll auch Brüste von Personen umfassen, die formal dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind, sich aber erkennbar dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen (Transgender).
Die Taten bleiben Antragsdelikte
Gemäß § 205 StGB werden die Straftaten des § 201a StGB auch künftig nur auf Antrag verfolgt. § 205 StGB wird aber insoweit ergänzt, als das Antragsrecht bei verstorbenen Opfern auf Angehörige ausgedehnt wird. Außerdem können die Taten im Wege der Privatklage gemäß § 374 StPO verfolgt werden.
Die Probleme bei der Strafverfolgung bleiben
Nachdem sich die Anfertigung persönlichkeitsverletzender Fotos sowohl durch Gaffer nach Unfällen als auch durch Voyeure auf dem sexuellen Sektor rasend schnell verbreitet und heimlich mit Handys oder Minikameras aufgenommene Fotos von Unfallopfern wie auch des Intimbereichs von Frauen ins Internet gestellt und dort massenhaft geteilt werden, hat der Gesetzgeber nun endlich gehandelt und das Gesetz zum besseren Persönlichkeitsschutz bei Bildaufnahmen beschlossen.
Wie so oft bei Strafrechtsreformen löst die Verschärfung der Gesetze aber noch nicht das Problem der Strafverfolgung, insbesondere nicht das Problem der Identifizierung der Täter. Ob die Zahl der Internetseiten mit herabwürdigen Fotos sowohl von Unfallopfern als auch vom Intimbereich von Frauen infolge der Gesetzesänderung geringer wird, muss sich noch zeigen.
Inkrafttreten: Nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten soll das Gesetz am ersten Tag des auf die Verkündung im Bundesgesetzblatt folgenden Quartals in Kraft treten.
Hintergrund: Fotografieren bleibt häufig unbemerkt
Ein Grundproblem wird allerdings auch durch neuer Straftatbestände nicht geändert, nämlich dass das Fotografieren oft nicht bemerkt wird. Aber dies ist kein Argument gegen das Schließen einer Strafbarkeitslücke, denn Probleme bei der Aufdeckung von Normverletzungen bestehen auch bei vielen anderen Straftatbeständen. Entscheidend für die von Verletzungen von Persönlichkeitsrechten Betroffenen ist die nun für alle sichtbar getroffene klare Werteentscheidung des Gesetzgebers.
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