Wann Fahrerflucht eines Anwalts vom Anwaltsgericht zusätzlich bestraft wird
Der Rechtsanwalt hatte beim Einparken in einem Parkhaus mit seinem 5er BMW einen Porsche Cayenne so beschädigt, dass dieser deutlich sichtbar bewegt und die Alarmanlage ausgelöst wurde. Der Anwalt setzte sofort zurück und parkte sein Auto in einer anderen Etage des Parkhauses.
Deutlich touchiert, verursachte Kollision aber ignoriert
Als der Rechtsanwalt nach getätigten Einkäufen zurückkehrte und Richtung Ausfahrt an der Unfallstelle vorbeifuhr, bemerkte er den späteren Zeugen sowie die Unfallgeschädigte, die durch Gesten und Rufe auf sich aufmerksam machte. Der Rechtsanwalt hielt jedoch nicht an, sondern fuhr eilig davon, wobei er noch seinen rechten Außenspiegel an einer Betonsäule beschädigte.
Strafe vom Amtsgericht und vom Anwaltsgericht
Aufgrund der Aussage des Zeuge und der Inaugenscheinnahme der CD-ROM der Videoüberwachungsanlage des Parkhauses ist erwiesen, dass es zur Kollision mit dem Porsche kam und der Rechtsanwalt sich im Anschluss vom Unfallort entfernte, ohne Feststellungen zum Unfall und seiner Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Der Anwalt hat sich einer vorsätzlichen Verkehrsunfallflucht schuldig gemacht.
- Das Amtsgericht Köln verurteilte ihn wegen Unfallflucht zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 Euro und einem zweimonatigen Fahrverbot.
- Das Anwaltsgericht Köln verhängte gegen den Anwalt eine Geldstrafe in Höhe von 400 Euro und sprach einen Verweis aus.
Warum eine zweite Strafe?
Nach § 43 BRAO muss der Rechtsanwalt
- seinen Beruf gewissenhaft ausüben
- und sich innerhalb und außerhalb des Berufes
- der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig erweisen.
Daher ist es allgemeine Berufspflicht des Rechtsanwalts, nicht nur im Bereich der Kerntätigkeit des Anwalts, sondern auch im außerberuflichen Bereich die allgemeinen Gesetze zu achten. Allerdings legt die Anwaltsgerichtsbarkeit hier ziemlich unterschiedliche Maßstäbe an (vgl. z.B.: Anwaltsgericht interessiert sich nicht für Sexualdelikte.)
Zwischen inner- und außerberuflichem Verhalten wird unterschieden
Ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten eines Rechtsanwalts, das eine rechtswidrige Tat oder eine mit Geldbuße bedrohte Handlung darstellt, ist nach § 113 Absatz 2 BRAO eine anwaltsgerichtlich zu ahnende Pflichtverletzung,
- wenn es nach den Umständen des Einzelfalls im besonderen Maße geeignet ist,
- Achtung und Vertrauen des Rechtssuchenden
- in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem äußeren Verhalten, seinen Folgen und dem Grad des Verschuldens muss die Tat aus der Sicht eines aufgeschlossenen und unvoreingenommenen Rechtsuchenden im besonderen Maße geeignet sein, gerade in Bezug auf die anwaltliche Tätigkeit des Betroffenen dessen Ansehen und Vertrauenswürdigkeit in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen.
Schwieriges Nachtatverhalten und schleppende Unfallregulierung
Hier hatte der Anwalt einiges getan, um den negativen Eindruck der Fahrerflucht zu vertiefen.
Das jedenfalls sah das Anwaltsgericht Köln nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung durch besonderen Umstände des Einzelfalls gegeben.
Schon das Tatgeschehen selbst weist nach Auffassung der Kammer besondere Umstände auf, weil der Rechtsanwalt nach Verursachung eines erheblichen Schadens die Unfallflucht nicht etwa durch unmittelbares Ausfahren aus dem Parkhaus, sondern ein verstecktes Abparken des Fahrzeugs zwei Etagen höher und zeitlich verzögertes Ausfahren aus dem Parkhaus verwirklichte.
Unrecht bei der Ausfahrt perpetuiert
Der Rechtsanwalt habe darüber hinaus durch sein Verhalten bei der Ausfahrt aus dem Parkhaus das Unrecht perpetuiert, also fortgesetzt.
- Bei der Ausfahrt aus dem Parkhaus nahm er an dem Ort, an dem er nach seiner eigenen Einlassung zuvor jedenfalls das Auslösen der Alarmanlage des Porsche Cayenne bemerkt hatte, zwei Personen, nämlich die Unfallgeschädigte und den Zeugen O wahr.
- Er bemerkte auch die Gesten der Unfallgeschädigten und deren Rufe, deren Inhalt er selbst in der Hauptverhandlung mit „Ist das der?“ oder so ähnlich wiedergab.
- Dennoch sah der Anwalt keinen Anlass, sein Fahrzeug anzuhalten, sondern fuhr nach der Aussage des Zeugen eilig aus dem Parkhaus aus, wobei er bei der Ausfahrt noch seinen Außenspiegel an einer Betonsäule beschädigte.
Neben dieses Tatnachverhalten nahm ihm das Anwaltsgericht das Verhalten im Rahmen der Unfallregulierung übel, die er entsprechend verzögerte. Diese Gesamtumstände des Einzelfalls führen nach Auffassung der Kammer dazu, dass das Verhalten des Anwalts im besonderen Maße geeignet war, Achtung und Vertrauen der Rechtssuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Vertrauen in den Anwaltsberuf in besonderer Weise aufs Spiel gesetzt
Einer Ahndung des Verhaltens steht auch § 115 b S. 1 BRAO nicht entgegen. Danach ist,
- wenn durch ein Gericht oder eine Behörde eine Strafe, eine Disziplinarmaßnahme, eine berufsgerichtliche Maßnahme oder eine Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist,
- von einer anwaltsgerichtlichen Ahndung wegen desselben Verhaltens abzusehen,
- wenn nicht eine anwaltsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Rechtsanwalt zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten
- und das Ansehen der Rechtsanwaltschaft zu wahren.
Voraussetzungen zusätzlicher Ahndung durch das Anwaltsgericht
Eine zusätzliche anwaltsgerichtliche Ahndung kommt dabei nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen nebeneinander vorliegen. Nach dem aus der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck vom Persönlichkeitsbild des Anwalts hielt es das Gericht jedoch für geboten, ihn durch eine zusätzliche Ahndung für die Zukunft zu einem berufsrechtlich akzeptablen Verhalten anzuhalten.
Die Kammer war davon überzeugt, dass ihm nur durch die zusätzliche anwaltsgerichtliche Ahndung die Dimension seines Fehlverhaltens vor Augen geführt werden könne. Der zusätzlichen Ahndung bedurfte es laut Richterspruch auch zur Wahrung des Ansehens der Rechtsanwaltschaft.
(Anwaltsgericht Köln, Urteil v. 20.3.2017, 1 AnwG 40/16).
Hintergrund:
Nicht immer folgt für gestrauchelte Anwälte auf eine strafrechtliche Verurteilung eine berufsrechtliche Strafe. Doch für Anwälte, die die Regeln der Gesellschaft missachten - ob im Beruf oder außerhalb – und sich in erheblichem Maß strafbar machen, sieht das Gesetz ein zusätzliches anwaltsgerichtliches Verfahren vor.
Voraussetzung für eine über die bereits erfolgte strafrechtliche Verurteilung hinausgehende anwaltsgerichtliche Ahndung sei daher, dass ein Verstoß vorliegt, mit dem die Aufgabe des Anwalts als Organ der Rechtspflege tangiert ist (vgl. z.B. Anwaltsgericht Köln, Urteil v. 10.6.2015 , 10 EV 319/12).
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