Neuer Bußgeldkatalog trat in Kraft: Verschärfungen für Falschparker und Raser
Nachdem die StVO-Reform im vergangenen Jahr wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot verfassungswidrig war, trat die nun am 9. November 2021 in Kraft. Bundesverkehrsminister Scheuer zeigte sich sichtbar erleichtert, dass die Formfehler-Blamage vom Frühjahr letzten Jahres nun korrigiert werden konnte. Er fasste den Inhalt der Reform gegenüber dpa wie folgt zusammen: „Es geht an den Geldbeutel, aber nicht an den Führerschein. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt“. Der verabschiedeten Fassung liegt das Kompromisspapier der Grünen-Politikerin und Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer zugrunde.
Reformziel: Mehr Schutz für Fußgänger und Radfahrer
Die Reform verfolgt insbesondere den Zweck, die schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer besser zu schützen. Deshalb werden Geschwindigkeitsüberschreitungen besonders im innerstädtischen Bereich, das Parken auf Fuß- und Radwegen und auch die Nichteinhaltung der Schrittgeschwindigkeit von LKWs beim Rechtsabbiegen deutlich stärker als bisher sanktioniert.
Diese Verschärfungen Kommen:
Geschwindigkeits-überschreitung | Bußgeld/Punkte innerorts | Bußgeld/Punkte außerorts | Fahrverbot innerorts | Fahrverbot außerorts |
bis 10 km/h | 30 EUR | 20 EUR | ||
11-15 km/h | 50 EUR | 40 EUR | ||
16-20 km/h | 70 EUR | 60 EUR | ||
21-25 km/h | 115 EUR/1 Punkt | 100 EUR/1 Punkt | ||
26-30 km/h | 180 EUR/1 Punkt | 150 EUR/1 Punkt | ||
31-40 km/h | 260 EUR/2 Punkte | 200 EUR/1 Punkt | ||
41-50 km/h | 400 EUR/2 Punkte | 320 EUR/2 Punkte | 1 Monat | 1 Monat |
51-60 km/h | 560 EUR/2 Punkte | 480 EUR/ 2 Punkte | 2 Monate | 1 Monat |
Verkehrswidriges Parken und Halten wird deutlich teurer
Widerrechtliches Parken oder auch Halten wird insgesamt teurer werden. Im Extremfall drohten bis zu 100 EUR Bußgeld und ein Punkt in Flensburg.
- Falschparken
25 statt bisher 15 EUR, länger als 1 Stunde künftig bis zu 55 statt bisher 35 Euro
- Parken in der Feuerwehrzufahrt
100 EUR, plus ein Punkt, wenn Rettungsfahrzeuge behindert werden.
- Halten in zweiter Reihe
Häufig gemacht, von den meisten maximal als Kavaliersdelikt angesehen und bisher sehr moderat sanktioniert: Das Halten in zweiter Reihe sollte gleich um ein mehrfaches teurer werden. Wer in zweiter Reihe hält, zahlt künftig bis zu 55 EUR (bisher 15 EUR), bei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer 80 Euro plus ein Punkt in Flensburg.
- Parken auf Geh- und Radwegen
Die gleichen Bußgelder bis zu 80 EUR drohen auch den Geh- oder Radwegparkern.
- Widerrechtliche Parken auf reservierten Parkplätzen
Mit 55 statt bisher 35 EUR schlägt das das widerrechtliche Parken auf einem Schwerbehindertenplatz künftig zu Buche.
- Neuer Tatbestand: Zuparken eines Ladeplatzes für E-Fahrzeuge
55 EUR muss zahlen, wer einen E-Fahrzeug-Ladeplatz oder einen Parkplatz für CarSharing-Fahrzeuge zuparkt
- „Auto-Posing“
Lärm- und Abgasbelästigung durch unnötiges Laufenlassen von Motoren wird künftig mit 100 statt 20 Euro Bußgeld geahndet werden.
- Deutlich strengere Regeln für Rettungsgassen-Rowdys
Richtiges Verhalten beim Bilden einer Rettungsgasse – ein für effiziente Rettungsmaßnahmen elementar wichtiges Thema. Dennoch verweigern nach wie vor viele Autofahrer die Beachtung der Regeln des mit der letzten Straßenverkehrsreform im Oktober 2017 neu eingeführten Straftatbestandes des § 323 c StGB.
- Wer keine Rettungsgasse bildet bzw. deren Bildung behindert, zahlt künftig ein Bußgeld von 200 bis 320 EUR zusätzlich 1-2 Punkte in Flensburg sowie ein Monat Fahrverbot on top,
- und zwar auch dann, wenn die Behinderung keine konkrete Gefahr für Dritte hervorgerufen hat.
- Wer die Rettungsgasse widerrechtlich nutzt, um schneller voran zu kommen oder sich an ein Einsatzfahrzeug „dranhängt“, zahlt mindestens 240 EUR , erhält zwei Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot von einem Monat.
Schutz von Fahrradfahrern ist einer der Reform-Kernpunkte
Mit der missglückten Reform des Bußgeldkatalogs im Frühjahr 2020 verbunden war auch eine Reform einiger Verhaltensregeln der StVO. Diese sollen vor allem dem Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer dienen.
So verbesserte die Reform der StVO den Schutz von Fahrradfahrern im Straßenverkehr.
Wer Fahrräder überholt, muss innerorts obligatorisch 1,5 m Abstand halten, außerorts 2 m.
Außerdem wurde ein spezielles Überholverbotsschild eingeführt, nach dem das Überholen von einspurigen Fahrzeugen (Fahrräder, Motorräder) für mehrstufige Kraftfahrzeuge (PKW, Lkw) verboten ist.
Daneben gibt es für Fahrradfahrer einen eigenen grünen Rechtsabbiegerpfeil , der Fahrradfahrern das Rechtsabbiegen bei roter Ampel erlaubt.
Neben Fahrradstraßen existieren neue Fahrradzonen, in denen maximal Tempo 30 erlaubt ist und in denen Fahrradfahrer weder gefährdet noch behindert werden dürfen.
Aber auch Fahrradfahrer werden künftig härter angefasst. Unerlaubtes Fahren auf dem Bürgersteig kostet künftig 55 statt bisher 10 Euro, mit Gefährdung 80 Euro.
Vorsicht mit dem toten Winkel! Schritttempo für Lkws beim Rechtsabbiegen
Lkw über 3,5 t dürfen mit Geltung der Reform innerorts beim Rechtsabbiegen zum Schutz von im toten Winkel befindlichen Fahrradfahrern nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Hintergrund: Jedes Jahr sterben Radfahrer in Deutschland, weil Lkw-Fahrer sie beim Abbiegen übersehen. LKW-Fahrer, die dagegen verstoßen, müssen künftig mit 70 EUR Bußgeld rechnen.
Abbieger sollen zu mehr Rücksicht gezwungen werden
Auch Auto- und Motorradfahrer, die beim Abbiegen keine Rücksicht auf Fußgänger nehmen und diese dadurch gefährden, zahlen künftig ein Bußgeld von 140 EUR statt bisher 70 EUR, dazu ein Punkt in Flensburg sowie ein Monat Fahrverbot on top. Radfahrern droht in diesen Fällen ein Bußgeld von 70 EUR und ebenfalls ein Punkt in Flensburg.
Neuerungen führen die Verschärfungstendenzen der letzten Reform fort
Die letzte Reform des Bußgeldkatalogs datiert vom Oktober 2017. Die Reform brachte deutlich schärfere Sanktionen für Handy-Nutzer am Steuer und führte mit § 323 c StGB einen eigenen Straftatbestand für die Blockade von Rettungsgassen und für Gaffer bei Unfällen ein.
Zum Zwecke der besseren Identifizierbarkeit von Kraftfahrzeugführern und in Unkenntnis der gut zwei Jahre später durch die Corona-Pandemie entstehenden speziellen Probleme in Verbindung mit dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wurde das Fahren mit verhülltem Gesicht (Niqab) als neuer Bußgeldtatbestand eingeführt. In Coronazeiten angesagt, ist deshalb das Fahren mit Mund-Nasen-Schutz - etwa bei Fahrgemeinschaften - zumindest problematisch und dies eine kleine ironische Pointe.
Die Reform tritt voraussichtlich im November in Kraft
Nach der nun erfolgten Zustimmung des Bundesrats muss die Rechtsverordnung durch Bundesverkehrsminister Scheuer unterzeichnet und anschließend verkündet werden. Der neue Bußgeldkatalog tritt 3 Wochen nach der Verkündung in Kraft. Dies wird voraussichtlich im November, spätestens im Dezember sein. Die Dreiwochenfrist dient der Vorbereitung und Umstellung der Bußgeldbehörden auf die neuen Vorschriften.
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