Schadensersatzpflicht endet, wo allgemeines Lebensrisiko beginnt
Fremdverursachter Schaden oder persönliches Pech? Diese Frage nach den Grenzen der Haftung und dem Schutzbereich des Straßenverkehrsrecht spielte in folgendem kuriosen, aber folgenschwerem Sachverhalt eine entscheidende Rolle.
Fahrerflucht lässt Opfer unvorsichtig werde
Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug ordnungsgemäß vor einer Apotheke geparkt. In der Apotheke wurde sie von einer Kundin, darauf hingewiesen, dass ein anderes Fahrzeug den soeben geparkten PKW gerade beschädigt habe und dabei sei, sich fluchtartig vom Unfallort zu entfernen. Darauf drehte die Klägerin sich ruckartig um und erlitt zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule. Hierfür verlangte sie Schmerzensgeld von dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers.
Landgericht verneint Zurechnungszusammenhang
Das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG kam im Rahmen der Kausalitätsprüfung zunächst zu dem Ergebnis, dass der Verkehrsunfall und die anschließende Unfallflucht des Unfallverursachers ursächlich für die ruckartige Bewegung der Klägerin war und damit auch kausal zu den Bandscheibenvorfällen geführt habe.
Dennoch realisierte sich nach Auffassung der Richter in dieser ruckartigen Bewegung kein typisches unfallbedingtes Risiko.
Es sei nicht Zweck der straßenrechtlichen Normen, eine Ersatzpflicht für Schäden dieser Art zu statuieren.
Der durch die ruckartige Bewegung entstandene Schaden falle nicht mehr unter den Schutzbereich der straßenverkehrsrechtlichen Schadensersatznormen.
Das LG wies den Schmerzensgeldanspruch daher komplett ab.
Bandscheibenvorfälle gehören zum täglichen Lebensrisiko
Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG unterstützte die Linie des LG, betonte aber besonders den Aspekt des allgemeinen Lebensrisikos. Der Sinn der Schadensersatznormen des Straßenverkehrsrechts wolle Betroffene vor typischerweise mit dem Straßenverkehr verbundenen Risiken schützen. Wer schuldhaft diese Risiken erhöhe und einen Unfall verursache, der solle für die Folgen haften, nicht aber für solche Schäden, die den spezifischen Risiken des Straßenverkehrs nicht zuzuordnen seien.
Hätte die Klägerin den Unfallflüchtigen verfolgt – so die Richter - und hierbei einen Bandscheibenvorfall erlitten, so wäre dieser Schaden vom Schutzbereich der straßenverkehrsrechtlichen Normen erfasst worden. In diesem Fall hätte ein adäquater Zusammenhang mit dem Verkehrsgeschehen bestanden. Bandscheibenvorfälle durch ruckartiges Umdrehen seien aber so losgelöst vom eigentlichen Unfallgeschehen, dass sie von den straßenverkehrsrechtlichen Ersatzpflichten des Schädigers nicht mehr erfasst würden. Bandscheibenvorfälle durch ruckartige Bewegungen könnten in den verschiedensten Situationen entstehen und seien damit Teil des allgemeinen Lebensrisikos.
Berufung offensichtlich aussichtslos
Die OLG-Richter maßen daher der von der Klägerin eingelegten Berufung keinerlei Erfolgsaussichten zu. Durch einen entsprechenden Hinweisbeschluss bekundete das OLG daher die Absicht, die Berufung zurückzuweisen und legte der Klägerin nahe, die Berufung aus Gründen der Kostenersparnis zurück zu nehmen.
(OLG Stuttgart, Beschluss v. 07.08.2012, 13 U 78/12).
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