Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse
Gerichtlich durchgesetzte Ergänzung der Tagesordnung
Die Beklagte im vorliegenden Fall ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Klägerinnen sind als Aktionärinnen an der Beklagten beteiligt. Gegenstand der Auseinandersetzung war die Wirksamkeit zweier Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.07.2016. Zur Hauptversammlung mussten sich die Aktionäre satzungsgemäß bis zum Ende des vierten Werktags vor dem Versammlungstag, also bis 25.07.2016 um 24 Uhr, anmelden. Der zweitgrößte Aktionär der Beklagten begehrte kurz nach der Veröffentlichung der Einladung zur Hauptversammlung die Ergänzung der Tagesordnung um die Tagesordnungspunkte 2 und 3 – eine Sonderprüfung in Bezug auf fünf Vorgänge in der Geschäftsführung. Die Beklagte veranlasste die Veröffentlichung des Ergänzungsverlangens im Bundesanzeiger jedoch nicht. Auf Antrag des Aktionärs ermächtigte das AG München den Aktionär am 21.07.2015 zur Bekanntmachung der geänderten Tagesordnung. Nachmittags am 25.07.2016 erschien die ergänzte Tagesordnung im Bundesanzeiger. In der Hauptversammlung wurde der Beschluss zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 gemäß dem Beschlussvorschlag mit der erforderlichen Mehrheit gefasst. Gegen diese Beschlüsse erhoben die Klägerinnen Anfechtungsklage. Das LG München wies die Klage ab, da keine Gesetzesverletzung im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG vorliege.
Das Urteil des OLG München vom 16.05.2018 – 7 U 2752/17
Die von den Klägerinnen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG München verneinte das Vorliegen von Anfechtungsgründen. Zunächst stellte das OLG München fest, dass der Ermächtigungsbeschluss nach § 122 Abs. 3 AktG nicht zu einer Einschränkung der Prüfungskompetenz hinsichtlich des Inhalts der Hauptversammlungsbeschlüsse führe. Das Amtsgericht habe – in Bezug auf die Ergänzung der Tagesordnung - keine inhaltliche Prüfung über die beantragte Sonderprüfung vorgenommen. Es obliege dem Gericht, bei dem die Anfechtungsklage anhängig gemacht werde, die angegriffenen Beschlüsse inhaltlich auf ihre materielle Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Bei der Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung sei nicht gegen § 124 Abs. 1 S. 1 AktG verstoßen worden. Selbst wenn man die Pflicht zur unverzüglichen Bekanntmachung der neuen Tagesordnungspunkte auf ermächtigte Aktionäre nach § 122 Abs. 3 AktG erstrecken wolle, sei hier nicht von einer schuldhaften Verzögerung auszugehen. Da die Gesellschaft nicht börsennotiert sei, bilde der auf den 25.07.2016 fallende Stichtag keine absolute zeitliche Grenze für die Bekanntmachung der Ergänzung. Jedenfalls aber sei die Bekanntmachung am Nachmittag des 25.07.2016 noch knapp rechtzeitig erfolgt. Einem Aktionär sei es zuzumuten, die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger zeitnah zu verfolgen.
Die Mitteilungspflicht nach §§ 124 Abs. 1 S. 3, 125 Abs. 1 S. 3 AktG sei nicht verletzt, denn sie beziehe sich nur auf Ergänzungen der Tagesordnung nach § 122 Abs. 2 AktG und nur auf börsennotierte Unternehmen. An beiden Voraussetzungen fehle es vorliegend.
Schließlich müsse nach § 246 AktG innerhalb der Anfechtungsfrist nicht nur Klage erhoben werden; zusätzlich müssen auch die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden. Damit seien die weiteren Anfechtungsgründe, die die Klägerinnen erst im Berufungsverfahren und nicht schon – auch nicht im Ansatz – in der Klageschrift vorgebracht haben, präkludiert.
Anmerkung
Gegenstände, die auf die Tagesordnung gesetzt werden sollen, sind nach § 124 Abs. 1 S. 1 AktG unverzüglich bekannt zu machen. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften muss nach § 123 Abs. 4 AktG spätestens 21 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung der Nachweis des Aktienbesitzes erbracht werden, sog. Record Date. Aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung der Aktionärsrichtlinie (2007/26/EG) ist bei börsennotierten Gesellschaften davon auszugehen, dass der Zeitpunkt des Record Date auch für die Bekanntmachung von Beschlussgegenständen der Tagesordnung relevant ist. Die dort geltende Bewertung kann aber nicht auf andere, nicht börsennotierte Gesellschaften übertragen werden. So hatte bereits schon das OLG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 19.06.2017 – 5 U 150/16) entschieden, dass der Zeitpunkt des Record Date nur börsennotierte Gesellschaften betrifft und für nicht börsennotierte Gesellschaften keine zeitliche Grenze bildet.
Erfreulicherweise stellt das OLG München klar, dass § 122 Abs. 3 AktG kein Anfechtungshindernis darstellt und die Hauptversammlungsbeschlüsse im Rahmen der Anfechtungsklage uneingeschränkt auf ihre inhaltliche Rechtsmäßigkeit geprüft werden können. Die Vorinstanz hatte dies noch verneint und damit begründet, dass der Beschluss des Registergericht nach § 122 Abs. 3 AktG rechtsgestaltende Wirkung habe und nicht von der streitigen Gerichtsbarkeit im Anfechtungsprozess anders beurteilt werden könne.
Allerdings gilt es in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung und ständigen Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsgründe innerhalb der Anfechtungsfrist – nach § 246 Abs. 1 AktG ein Monat nach der Beschlussfassung – in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden müssen. Der Kläger muss die Tatschen, auf die er die Anfechtungsklage stützt, so vortragen, dass der Streitgegenstand individualisiert und von anderen Anfechtungsgründen abgrenzbar ist. Nachgeschobene Anfechtungsgründe können nicht mehr geltend gemacht werden.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Theresa Ohnemus, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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