Anspruch auf Versicherungsleistung ohne Prämienzahlung?
Die Klägerin hatte mit ihrem Auto am 31.1.2014 einen Unfall gebaut. Die Versicherung wollte den Schaden in Höhe von gut 5.200 Euro nicht übernehmen. Begründung: Sie sei von dem Vertrag zur Vollkaskoversicherung wirksam zurückgetreten (§ 37 Abs. 1 VVG) – durch ein Schreiben vom 26.2.2014, also nach dem Unfall. Zudem sei sie leistungsfrei, weil die Frau die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt habe (§ 37 Abs. 2 VVG).
Versicherungsschein muss zugegangen sein
Der Knackpunkt an der Sache:
- Voraussetzung für die Fälligkeit der Versicherungsprämie ist, dass der Versicherungsschein zugegangen ist. Genau hier setzte das OLG Stuttgart an.
- Nach Ansicht des Gerichts kann die Versicherung nicht nachweisen, dass der Versicherungsschein auch wirklich bei der Klägerin angekommen ist.
Zwar ist der Versicherungsschein nach Angaben der Versicherung am 26.11.2013, also gut zwei Monate vor dem Unfall, an die Klägerin verschickt worden. Allerdings nicht als Einschreiben, sondern als einfacher Brief. Die Klägerin bestreitet aber, den Brief je erhalten zu haben.
Beweislast liegt bei der Versicherung
Für die Versicherung ist das ein Problem. Denn sie konnte nicht beweisen, dass der Versicherungsschein auch wirklich bei der Frau angekommen ist, auch wenn der Brief nicht zurückgekommen ist. Denn die Beweislast für den Zugang des Scheins liegt bei der Versicherung. Im Zweifel profitiert also der Versicherungskunde.
Im vorliegenden Fall hatte die Frau angegeben, dass sie nicht mehr genau wisse, wann sie den Versicherungsschein erhalten habe. Auf jeden Fall sei es nur eine Kopie gewesen, die ihr erst nachträglich im Zuge der ganzen Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Unfall zugestellt wurde.
Versicherungsnehmerin profitiert von unklarer Situation
Kein Licht ins Dunkle brachte auch die Befragung der beteiligten Vermittlerin, die sich nicht sicher war, ob die Klägerin bei einem Gespräch, das gut einen Monat nach dem Unfall stattgefunden hatte, den Versicherungsschein dabeigehabt hatte. Es sei möglich, dass sie den Versicherungsschein für die Klägerin noch einmal ausgedruckt habe, so die Vermittlerin.
- Viele Ungewissheiten also, die Raum für Spekulationen lassen. Doch im Ergebnis geht diese unklare Situation zu Lasten der Versicherung.
- Der Verzicht auf Übersendung des Versicherungsscheins durch Einschreiben mit Rückschein ist zwar legitim, führt aber dazu, dass die Versicherung die Kosten tragen muss, die durch Beweisfälligkeit entstehen.
Zweifel reichen nicht aus
Zweifel an der Darstellung der Frau, die vom Landgericht auch angeführt wurden, spielen angesichts der Darlegungs- und Beweislast der Versicherung keine Rolle.
Fazit: Die Versicherung muss für den Kaskoschaden aufkommen, obwohl die Frau keine Prämie gezahlt hat.
(OLG Stuttgart, Urteil v. 10.09.2015, 7 U 78/15).
Vgl. zu dem Thema auch:
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