Auch Porsche muss für Abgas-Manipulation haften

Ein Porsche-Händler muss einen Porsche Cayenne Diesel mit 80.000 km auf dem Tacho zurücknehmen und an den Käufer ca. 52.000 Euro zurückzahlen. Porsche muss dem Käufer den infolge der eingebauten Software zur Manipulation der Abgaswerte entstandenen Schaden ersetzen, auch wenn der Motor ein Audi-Fabrikat war.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist insofern von besonderem Interesse, als in dem streitgegenständlichen Porsche Cayenne kein Original Porsche-Motor, sondern ein Motor des Herstellers Audi verbaut war. Im entschiedenen Fall hatte der Käufer im Februar 2016 den Porsche Cayenne zum Preis von etwas über 70.000 Euro gekauft. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem OLG betrug der Tachostand des Fahrzeugs ca. 80.000 km.

Porsche bestreitet eigenes Verschulden an der Abgasmanipulation

Der Porsche-Käufer hatte den Händler auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rücknahme des Fahrzeugs verklagt und gegenüber dem Fahrzeughersteller Porsche die Feststellung begehrt, dass der Autohersteller ihm den infolge der unzulässigen Software zur Manipulation der Abgaswerte entstandenen Vermögensschaden (Wertverlust u.ä.) ersetzen muss.

Audi habe Porsche versichert, Motoren seien für den deutschen Markt geeignet

Porsche hatte sich u.a. damit verteidigt, das Unternehmen Porsche sei aufgrund der Datenlage zum Zeitpunkt des Kaufs im Februar 2016 nicht in der Lage gewesen, selbst zu beurteilen, ob die von Audi gelieferten Motoren den gesetzlichen Vorgaben entsprechen oder nicht, zumal der Hersteller Audi gegenüber Porsche versichert habe, dass die Motoren für den deutschen Markt geeignet seien.

Frist zur Nacherfüllung entbehrlich

Das OLG stellte in Anlehnung an einen Beschluss des BGH zunächst fest, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs infolge der eingebauten Manipulationssoftware nicht für die nach dem geschlossenen Kaufvertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet und damit mangelhaft war (BGH, Beschluss v. 8.1.2019, VIII ZR 225/17).

Interessant ist dabei die Wertung des Senats, dass es dem Käufer nicht zumutbar gewesen sei, dem Händler eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, da infolge des Gesamtverhaltens des Herstellers im Abgasskandal das Vertrauensverhältnis des Kunden zu Porsche zerstört sei (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 6.12.2018, 17 U 4/18). Da die Nachbesserung durch Anbringen eines Software-Updates aber im Ergebnis nur durch den Hersteller möglich sei, schlage die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Hersteller auf den Händler durch.

Der Mangel war erheblich

Nach den Feststellungen des Gerichts ist der vom Käufer erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Argumentation der Beklagten, die Beseitigung des Mangels sei durch ein einfaches Softwareupdate möglich und verursache praktisch keine Kosten, überzeugte das Gericht nicht.

Eine umfassende Interessenabwägung führt nach Auffassung des OLG zu dem Ergebnis, dass der infolge des Abgasskandals eingetretene allgemein bekannte Wertverfall von Dieselfahrzeugen es ausschließt, den Mangel als unerheblich zu bewerten. Außerdem bestehe bei Anbringung des Software-Updates die Gefahr späterer Motorschäden, die der Motorhersteller ausdrücklich nicht ausschließen könne.

Porsche hat Aufklärungspflicht verletzt

Im übrigen sah das OLG Düsseldorf für die Beurteilung eines Schadensersatzanspruches gegenüber dem Fahrzeughersteller Porsche eine „ex ante-Betrachtung“ als maßgeblich an. Zum Zeitpunkt des Kaufs sei die abschließende Haltung des Kraftfahrtbundesamtes zum Komplex einer möglichen Betriebsuntersagung noch nicht bekannt gewesen.

Ein vernünftiger Käufer hätte ein solches, von einer Betriebsuntersagung bedrohtes Fahrzeug, nicht oder nur mit hohen Preisabschlägen gekauft. Porsche habe gegenüber seinen Kunden vor diesem Hintergrund bewusst verschwiegen, dass die Audi-Motoren des Typs Audi 3.0 l EU 6 (möglicherweise) nicht den gesetzlichen Abgasvorschriften entsprachen. Porsche hätte seine Kunden daher bei Verkaufsabschluss über die unzulässige Software oder zumindest über den sich aufdrängenden Verdacht aufklären müssen. Das Verschweigen dieser Umstände stelle ein arglistiges Verhalten des Fahrzeugherstellers dar.

Kunden wurden aus verwerflichen Motiven getäuscht

Dieses Verhalten ist nach Auffassung des Senats als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu werten, da es sich unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als besonders verwerflich darstelle. Das gesamte Verhalten des Herstellers im Rahmen des sogenannten Dieselskandals habe ausschließlich dazu gedient, dem Unternehmen auf rechtswidrige Weise Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und dadurch die Unternehmensgewinne nicht unerheblich zu steigern. Ein solches Ziel sei im Wirtschaftsleben grundsätzlich nicht verwerflich, wenn dieses Ziel durch besondere Qualität, technische Überlegenheit und herausragenden Service erreicht werde. Verwerflich sei dieses Verhalten aber dann, wenn –ä wie hier - rechtswidrige Mittel zum Zwecke der Gewinnmaximierung eingesetzt würden.

Keine Zweifel des Gerichts am Vorsatz spätestens seit  2.11.2015

Schließlich hatte der Senat auch keinerlei Zweifel daran, dass Porsche vorsätzlich gehandelt hatte. Spätestens mit dem 2.11.2015, dem Tag des Zugangs der „Notice of Violation“ der Environmental Protection Agency, der amerikanischen Umweltbehörde, hätten maßgebliche Mitarbeiter des Unternehmens bis hinein in die Vorstandsebene Veranlassung gehabt, an der Geeignetheit des eingebauten Motors nicht nur für den amerikanischen, sondern auch für den deutschen Markt zu zweifeln. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe der Hersteller beim Verkauf von Fahrzeugen mit diesem Motor zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt.

Auf die Versicherung von Audi, die Motoren seien für den deutschen Markt geeignet, habe Porsche als verantwortungsbewusster Hersteller sich keinesfalls verlassen dürfen. Der Düsseldorfer Senat konnte sich in diesem Punkt einen Verweis auf den Volksmund nicht verkneifen:

Frog min Broder Jeck, dä is genauso schleit wie eck“.

Gezogene Nutzungen werden angerechnet

Die bittere Pille für den Kläger besteht darin, dass auch das OLG Düsseldorf dem beklagten Händler bzw. Porsche gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der gezogenen Nutzungen zugestand. Das OLG Düsseldorf schloss sich den Schätzungen anderer Gerichte an, die die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines solchen Fahrzeugs auf 300.000 km schätzten (OLG Hamm, Urteil v. 30.5.2017, I-28 U 198/16). Entsprechend dem Kilometerstand des Fahrzeugs setzte das OLG die Höhe des Nutzungsentgelts mit einem Betrag von ca. 20.000 Euro an.

Händler und Hersteller verurteilt

Im Ergebnis hat das OLG daher den Händler zur Rückzahlung des um die Nutzungsentschädigung geminderten Teil des Kaufpreises in Höhe von ca. 52.000 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt und im übrigen festgestellt, dass Porsche zum Ersatz des dem Käufer infolge der fehlerhaften Abgassoftware entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet ist. Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen.

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Schlagworte zum Thema:  Rücktritt, Verlust, Musterfeststellungsklage