BGH: Käuferpflichten beim Handelskauf

Der Handelskauf stellt besondere Anforderungen an den Käufer. Er muss die Ware unverzüglich untersuchen und Mängel unverzüglich anzeigen (§ 377 HGB). In welchem Umfang und in welcher Zeit die Warenuntersuchung zu erfolgen hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Anzeigefrist beträgt im Regelfall nur 1-2 Tage. Bei verderblicher Ware kann sie sogar nur wenige Stunden betragen. Rügt der Käufer nicht rechtzeitig, verliert er seine Gewährleistungsrechte. Der BGH entschied nun, dass die Anforderungen an den Käufer aber nicht überspannt werden dürfen.

Hintergrund

Die Käuferin hatte von der Verkäuferin im November und Dezember 2010 Futtermittel erworben. Mitte Dezember 2010 stellte die Verkäuferin eine grenzwertüberschreitende Belastung des Futtermittels mit Dioxin fest und benachrichtigte die Käuferin. Diese musste die gesamte Ware vernichten. Infolgedessen verlangte sie vom Insolvenzverwalter der mittlerweile zahlungsunfähigen Verkäuferin Schadensersatz.

Der Insolvenzverwalter begehrte widerklagend Zahlung eines noch ausstehenden Teils des Kaufpreises. Hierbei berief er sich auf die dem Vertrag zugrunde gelegten AGB. In diesen hieß es unter anderem, dass die Käuferin stets einem neutralen Sachverständigen Proben zum Zwecke der Untersuchung zu übermitteln habe. Hierdurch sollten sensorisch nicht feststellbare Mängel erkannt werden. Gegen diese Regelung habe die Käuferin verstoßen.

Der BGH wies – ebenso wie die Vorinstanzen – die Argumentation des Insolvenzverwalters zurück und entschied im Sinne der Käuferin.

Das Urteil des BGH vom 06.12.2017, Az. VIII ZR 246/16

Die Revision blieb erfolglos. Der BGH entschied, dass weder die AGB, noch die in § 377 Abs. 1 HGB verankerte Untersuchungs- und Rügeobliegenheit dem Anspruch der Käuferin entgegenstünden.

Der nach § 377 Abs. 1 HGB vom Käufer vorzunehmende Prüfungsumfang würde sich danach bemessen, was unter Berücksichtigung aller Umstände nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich sei. Eine allgemeine Festlegung der Anforderungen an Art und Weise der Untersuchung sei nicht möglich. Anerkannt sei jedoch, dass eine Prüfung nicht von derartigem Umfang und Intensität sein müsse, dass nach Art einer „Rundum-Untersuchung“ alle irgendwie in Betracht kommenden Mängel der Ware erfasst würden.

Eine – wie hier in den AGB der Verkäuferin geforderte – Laboranalyse jeder Teillieferung auf sämtliche möglichen Verunreinigungen gehe eindeutig zu weit. Es sei stets zu berücksichtigen, ob die abzudeckenden Risiken regelmäßig vorkämen, oder, wie hier, sich eher selten verwirklichten. Deshalb benachteilige die sehr weite Pflicht in den AGB die Käuferin unangemessen und sei unwirksam.

Anmerkung

Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit aus § 377 HGB gehört zu den für Unternehmen und Kaufleute relevantesten Vorschriften. Welchen Umfang die Prüfpflichten des Käufers konkret haben, ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Ausgangspunkt ist stets eine Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer: Der Verkäufer hat ein Bedürfnis, vor verspäteten und damit unvorhersehbaren Mängelansprüchen geschützt zu werden. Der Käufer wiederum muss davor geschützt werden, dass das aus der Sphäre des Verkäufers stammende Risiko fehlerhafter Leistungen unangemessen auf ihn abgewälzt wird.

Die Entscheidung des BGH gibt für die Abwägung wichtige Anhaltspunkte, bleibt aber Einzelfallentscheidung. Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit lassen sich nur durch wirksame vertragliche Vereinbarungen schaffen, sei es im Liefervertrag oder einer Qualitätssicherungsvereinbarung.

 

Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies und Jonas Laudahn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg


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