Mängelrüge im Streckengeschäft
Sofern die Mängel erst später entdeckt werden konnten, sind diese sog. verdeckten Mängel unverzüglich nach der Entdeckung zu rügen. Die Anzeigeobliegenheit gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um ein sog. Streckengeschäft handelt, der Hersteller die Ware also nicht an seinen Käufer, sondern unmittelbar an den Endabnehmer des Käufers liefert. In diesem Fall hat die Mangelrüge entlang der einzelnen Kaufvertragsverhältnisse zu erfolgen.
Hintergrund
Die Klägerin ist ein Bauunternehmen, das bei der Beklagten zur Errichtung einer Turnhalle Dämmplatten des Typs „TEKURAT“ bestellte. Die Beklagte orderte diese Dämmplatten bei dem Hersteller, wobei sie den Hersteller anwies, die Dämmplatten direkt an die Klägerin zu liefern. Der Hersteller lieferte der Klägerin jedoch einen anderen Dämmplattentyp. Dies bemerkte der Bauleiter der Bauherrin bereits bei der Ablieferung der Ware, woraufhin er den Hersteller der Dämmplatten kontaktierte. Der Hersteller überzeugte den Bauleiter von der Gleichwertigkeit der Produkte. Die Klägerin zeigte der Beklagten zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Mängel an. Etwa ein Jahr nach dem Einbau der Dämmplatten stellte die Klägerin fest, dass die Wärmedämmeigenschaft der gelieferten mit den bestellten Dämmplatten nicht gleichwertig war, woraufhin sie gegenüber der Beklagten den Mangel rügte.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises und Schadensersatz. Die Beklagte wendet ein, dass die Falschlieferung bereits bei Ablieferung erkennbar gewesen sei und daher unverzüglich hätte gerügt werden müssen. Die mangelhafte Dämmeigenschaft sei zudem durch eine Untersuchung der Ware erkennbar gewesen und hätte daher auch früher angezeigt werden müssen. Da keine rechtzeitige Mängelanzeige erfolgt sei, sei die Ware als genehmigt anzusehen.
Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung.
Urteil des OLG Karlsruhe vom 19.07.2016, Az.: 12 U 31/16
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Dämmplatten gelten als genehmigt, da eine fristgerechte und ordnungsgemäße Mängelanzeige nicht erfolgt sei. Bei einem Streckengeschäft sei die Mängelrüge grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse zu erheben. Das heißt, dass die Klägerin als Endabnehmerin die Mängel der Beklagten als Zwischenhändlerin, und diese dem Hersteller anzeigen müsse. Dabei mag es unter Umständen für die rechtzeitige Rüge des Zwischenhändlers gegenüber dem Hersteller genügen, dass der Endabnehmer die Mängel direkt gegenüber dem Hersteller anzeigt. Hier gehe es jedoch um das Verhältnis zwischen Endabnehmer und Zwischenhändler. Eine Rüge gegenüber der Beklagten sei nicht erfolgt. Daran ändere auch die Anfrage des Bauleiters beim Hersteller nichts, da die Mängelrüge vom Käufer ausgehen müsse. Auch sei die Aussage des Herstellers der Beklagten nicht zurechenbar. Vielmehr hätte die Klägerin den Mangel unverzüglich rügen müssen. Dass es sich um eine Falschlieferung handelte, sei bereits bei der Ablieferung offensichtlich gewesen. Die geringere Dämmeigenschaft wäre zudem in einer ordnungsgemäßen Untersuchung erkennbar gewesen, sodass die Mängel spätestens nach deren Feststellung hätten gerügt werden müssen. Der BGH führt ferner aus, dass es hier auch einer besonders sorgfältigen Untersuchung der Ware bedurft hätte, da für die Klägerin aufgrund der offensichtlichen Falschlieferung bereits Anlass zu Misstrauen bestand. Hierzu könne insbesondere auch die Beiziehung eines Sachverständigen gehören.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt erneut, dass die Anforderungen an eine ordnungsgemäße und fristgerechte Rüge streng sind. Die Frist für eine rechtzeitige Rüge beträgt lediglich ein bis zwei Tage nach Feststellung eines Mangels. Kommt der Käufer diesen Anforderungen nicht nach, gilt die Ware als genehmigt und der Käufer ist von sämtlichen Mangelansprüchen ausgeschlossen. Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen eines Streckengeschäfts (siehe auch OLG München Urt. V. 24.09.2015, Az.: 23 U 417/15). Für den Käufer sind daher eine unverzügliche und sachgemäße Wareneingangskontrolle ebenso unerlässlich wie ein Mängelmanagement. Um die gesetzlich sehr strengen Anforderungen in der Praxis abzumildern, ist es sehr ratsam, im jeweiligen Vertrag abweichende Regelungen für die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit zu vereinbaren
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Meike Kapp-Schwoerer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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