Kommanditistenhaftung in der Unternehmenskrise bei nicht erbrachter Einlage

In einer OHG haften alle Gesellschafter gleichermaßen unbegrenzt für Schulden der Gesellschaft. Die Kommanditgesellschaft (KG) dagegen bietet eine andere Haftungsverteilung:
Grundsatz: Kommanditisten haften beschränkt, Komplementäre unbeschränkt
Der Kommanditist haftet gemäß § 161 Abs. 1 HGB nur in Höhe seiner Vermögenseinlage, der Komplementär unbeschränkt.
Gläubiger der Gesellschaft müssen dabei nicht zuerst die Gesellschaft auf Leistung verklagen, sondern können sich stets auch direkt an die Gesellschafter wenden. |
Ausnahme: Haftung des Kommanditisten, soweit Einlage nicht erbracht wurde
Allerdings greift die Haftungsbegrenzung zugunsten des Kommanditisten nur, soweit dieser seine Einlage tatsächlich erbracht hat (§ 171 Abs. 1 2. HS. HGB). Hat er dies nicht getan, so haftet er für Schulden der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage (§ 171 Abs. 1 2. HS. HGB). In der Praxis spielt vor allem § 172 Abs. 4 HGB eine gewichtige Rolle: Selbst wenn der Kommanditist seine Haftungseinlage zunächst formal erbracht hat, gilt die Einlage als nicht erbracht, soweit verdeckte Ausschüttungen zwischen der Gesellschaft und dem Kommanditisten stattfinden (Bsp.: Gesellschaft zahlt beim Kaufvertrag mit Kommanditisten überhöhten Kaufpreis oder gewährt diesem ein Darlehen mit unangemessen niedrigem Zins).
Gefahr mehrfacher Haftung des Kommanditisten?
In einer Unternehmenskrise fordern die Gläubiger vermehrt die Gesellschafter direkt zur Leistung auf. Bei mangelnder Einlageleistung droht Kommanditisten nach Beginn eines Insolvenzverfahrens zudem die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter. Für Kommanditisten, die ihre Einlage nicht oder nicht vollständig erbracht haben, stellt sich dann die Frage, ob sie möglicherweise mehrfach haften und wie sich dies vermeiden lässt.
Einlageerbringung durch Gläubigerbefriedigung
Zunächst entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der an einen Gläubiger leistende Kommanditist in Höhe der getilgten Schuld von seiner Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB auch im Verhältnis zu anderen Gläubigern frei wird. Pikanterweise tritt die Haftungsbefreiung sogar auch dann in Höhe des Forderungsnennwerts ein, wenn die Gläubigerforderung nicht mehr werthaltig war.
Jedoch gilt diese Haftungsbefreiung nur gegenüber Dritten, nicht aber im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Daher ist von höchster Relevanz, ob der Kommanditist seine Zahlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dem Insolvenzverwalter entgegenhalten kann, der vom Kommanditisten die Erbringung der vollständigen Einlage fordert. Der Bundesgerichtshof bejaht dies.
Im Verhältnis zur Gesellschaft kann der Kommanditist, der eine Schuld der Gesellschaft gegenüber einem Dritten getilgt hat, von der Gesellschaft Aufwendungsersatz in Höhe der Forderung verlangen (§ 110 HGB).
Fordert der Insolvenzverwalter den Kommanditisten zur Einlageleistung auf, kann der Kommanditist gegen diese Forderung mit ebenjenem Aufwendungsersatzanspruch aufrechnen.
Durch die Aufrechnung erlöschen dann die jeweiligen Forderungen, soweit sie sich decken. Für die Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs gilt auch hier nicht der objektive, sondern einzig der nominelle Wert der Forderung.
Folgen für die Praxis
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil (v. 25.07.2017, II ZR 122/16) die Rechte der Kommanditisten in der Unternehmenskrise gestärkt. Gleichwohl müssen diese beachten, dass bei Aufforderung des Insolvenzverwalters zur Einlageleistung keine automatische Verrechnung mit einem ihrerseits existierenden Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft eintritt. Die Aufrechnung muss vielmehr gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt werden. Die jeweiligen Forderungen und ihre Höhe sind dabei genau zu bezeichnen.
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