Leistungen aus der BU-Versicherung trotz neuem Job?

Besteht Anspruch gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen eines Ansehensverlustes im neuen Beruf oder möglicherweise entgangenem Aufstieg im alten Beruf? Laut OLG Oldenburg muss es für ein Absinken sozialer Wertschätzung belastbare Anhaltspunkte geben und für mögliche berufliche Entwicklungen im alten Beruf besteht kein Versicherungsschutz.

Weiterhin Anspruch auf BU-Leistungen kann bestehen, wenn der neue Beruf der Ausbildung, den Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten nicht entspricht (§ 2 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, BBUZ).

Denn die Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU)  muss nur dann zahlen, wenn feststeht, dass

  • der Versicherte seinen Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann und
  • auch nicht zu einer anderen Tätigkeit in der Lage ist, die der Ausbildung, den Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht (Berufsunfähigkeitsversicherung: Welche Jobs sind zumutbar)
  • und er eine solche Tätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt (§2 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, BBUZ).

Ob diese Anforderungen alle erfüllt sind, darüber gibt es in der Praxis häufig Streit. Das OLG Oldenburg musste sich zuletzt in zwei Fällen mit dieser Fragestellung auseinandersetzen.

Versicherungsnehmer machten geringere soziale Wertschätzung für den Verweisberuf geltend

Im ersten Fall konnte der Kläger nicht mehr als Heizungsmonteur arbeiten. Er schulte daraufhin zum technischen Zeichner um und verdiente letztlich so viel wie in seinem vorherigen Beruf. Die BU-Versicherung wollte er dennoch in Anspruch nehmen. Seine Begründung: Die beiden Berufe seien nicht vergleichbar, weil der Beruf des Heizungsmonteurs – gerade im ländlichen Raum – ein höheres Sozialprestige habe.

Außerdem habe sich seit seinem Unfall das Gehaltsniveau im Handwerk besonders positiv entwickelt. Könnte er seinen alten Beruf noch ausüben, würde er inzwischen deutlich mehr verdienen, so die Argumentation des ehemaligen Heizungsmonteurs. 

Können entgangener Meistertitel und Aussicht auf Firmenwagen BU-Leistungen rechtfertigen?

In einem zweiten Fall argumentierte ein Estrichleger ähnlich. Auch er hatte eine Umschulung gemacht, nachdem er in seinem ursprünglichen Beruf nicht mehr arbeiten konnte. Er war inzwischen Außenhandelskaufmann und arbeitete als kaufmännischer Angestellter. In dieser Stellung verdiente er geringfügig weniger als zuvor als Estrichleger.

Auch er machte weiterhin Ansprüche gegen seine Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Seine Argumentation: Als Estrichleger habe er eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung erfahren, er hätte später einen Meistertitel erworben und dann auch ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen.

Gericht folgte der Argumentation möglicher beruflicher Entwicklungen nicht

Vor Gericht konnten sich die beiden ehemaligen Handwerker, die im selben Ort lebten, mit ihren Ansprüchen nicht durchsetzen. Das OLG urteilte, dass die Behauptung, Handwerk habe ein höheres Sozialprestige als die inzwischen von den Klägern ausgeübten Berufe eine subjektive Behauptung und durch nichts belegt sei.

Lebensstellung des Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalls entscheidend

Auch die Argumentationslinie, dass sich die Gehälter nach den Unfällen verbessert hätten beziehungsweise, dass sich in den alten Berufen Aufstiegschancen ergeben hätten und den Betroffenen ein finanzieller Verlust entstanden sei, weil sie in den Berufen nicht mehr arbeiten konnten, war für das Gericht nicht von Relevanz.

Für die Frage nach einem Anspruch gegen die Versicherung komme es darauf an, welche Lebensstellung der Versicherte beim Eintritt des Versicherungsfalles hatte.

Kein Versicherungsschutz für mögliche Chancen oder erwartete berufliche Entwicklungen

Eine BU-Versicherung decke dagegen Chancen oder erwartete berufliche Entwicklungen nicht ab. Fazit: Die Versicherungen durften ihre Zahlungen einstellen, nachdem die beiden Kläger in ihren jeweils neuen Berufen tätig waren.

(OLG Oldenburg, Beschlüsse v. 11.05.2020, 1 U 14/20; 1 U 15/20)

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Hintergrund: Zur Vergleichbarkeit des neuen Berufs 

Gemäß § 2 Abs. 1 MB BUV/BUZ 10 muss der Verweisungsberuf der "bisherigen Lebensstellung" der versicherten Person entsprechen, damit in Bezug auf die Wertschätzung und die Vergütung ein spürbares Absinken unter das Niveau des bisher ausgeübten Berufes, also ein sozialer Abstieg, verhindert wird. Dies gilt auch für die ausgeübte andere Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 MB BUV 13/§ 2 Abs. 1 MB BUZ 13, die dann, wenn sie der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entspricht, das Vorliegen der Berufsunfähigkeit ausschließt. Auch dafür muss der Versicherer konkret die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalls vortragen, also Anforderungen an den Versicherungsnehmer und Fähigkeiten dafür, die Entwicklungsmöglichkeiten und die Vergütung sowie die Wertschätzung des Berufs in der Bevölkerung. Dasselbe muss für den Verweisungsberuf vorgetragen werden. Regelmäßig hat z. B.der Selbstständige wie auch ein weitgehend selbstständiger Angestellter mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine viel höhere Stellung in der Gesellschaft als derjenige, der als Angestellter in einem angelernten Beruf tätig ist.

Vergleichbare soziale Wertschätzung

Die Vergleichbarkeit hängt nicht nur auf die Verdienstmöglichkeiten ab. Die soziale Wertschätzung ist auch von anderen Faktoren abhängig, z.B. von moralischen Kategorien und vom Ansehen des jeweiligen Berufsstandes, von den sozialen Sicherungen des Berufes und von seiner gesellschaftlichen Bedeutung, von einer etwa damit verbundenen Vertrauens- oder Vorgesetztenstellung, von der Selbstständigkeit der Tätigkeit und vom Grad der erforderlichen Ausbildung.
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